Mobilität neu denken: Die Dekarbonisierung des Verkehrs gemeinsam anpacken

Die Frage, wie der Verkehr in der Schweiz klimaneutral werden kann, stand im Zentrum der zweiten nationalen Mobilitätskonferenz. Bundesrätin Simonetta Sommaruga hatte zur Konferenz zum Thema «Mobilität neu denken» vom 29. November 2021 eingeladen. Die Konferenz mit über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern hat klargemacht, dass es nebst innovativer Technologie auch ein Umdenken im Personen- und Güterverkehr braucht, um Wegeketten klimaneutral zu organisieren.

Die Mobilität trägt wesentlich zur Klimaerwärmung bei. So gingen 2019 vierzig Prozent der CO2-Emissionen unseres Landes auf das Konto des Verkehrs. An der kürzlich stattgefundenen 26. Weltklimakonferenz der UNO «COP 26» in Glasgow setzte sich die Schweiz dafür ein, den Ausstoss von Treibhausgasen in allen Bereichen zu reduzieren. Bereits vor rund zwei Jahren hat der Bundesrat als Klimaziel Netto-Null Emissionen bis 2050 bestimmt. Bundesrätin Simonetta Sommaruga strich in ihrer Begrüssungsrede an der Mobilitätskonferenz hervor, dass klimafreundliche Mobilität heute eine gesamtheitliche Aufgabe ist und weit mehr umfasst als den Bereich Verkehr. Sie illustrierte dies mit einem Tour d’horizon zu den politischen Fragestellungen rund um die klimafreundliche Mobilität, mit denen sich mittlerweile sechs Ämter des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK befassen. Sie reichen von der Abschaffung des Dieselprivilegs über die Entwicklung von synthetischem Kerosin bis hin zur Sicherstellung der Energieversorgung.

Wie Finnland die Treibhausgasemissionen des Verkehrs zu reduzieren beabsichtigt, erläuterte Timo Harakka, Minister für Verkehr und Kommunikation, in einer Videobotschaft. Er betont die Gemeinsamkeiten und Kooperationen zwischen der Schweiz und Finnland im Bereich der Innovationen. Zum Beispiel zeigt er auf, wie bei «Mobility as a Service» Innovationen den Menschen ins Zentrum stellen und zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragen können. Wie sich ökologische, ökonomische und soziale Anliegen auf kommunaler Ebene vereinbaren lassen, zeigen konkrete Beispiele aus Helsinki, Tampere, Espoo und Lahti. Diese Anstrengungen würdigte die Europäische Kommission, indem sie die finnische Stadt Lahti, deren Bürgermeister Pekka Timonen auch live in der Konferenz berichtet hat, zur grünen Hauptstadt Europas 2021 ernannte.

An der Tagung bestand ein breiter Konsens, dass sich erneuerbare Antriebsarten innert relativ kurzer Zeit am Markt durchsetzen werden. Voraussetzung dafür sei indes, dass von staatlicher Seite her die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um mit dem technologischen Wandel Schritt zu halten. Die fortschreitende Digitalisierung erlaubt es, Mobilität neu zu organisieren: Vom autonomen Fahren über neuartige Tarifierungs- und Ticketmodelle bis hin zu Verkehrsdrehscheiben, die verschiedene Verkehrsträger (Schiene und Strasse) und -mittel sowohl physisch als auch digital vernetzen. Damit die verschiedenen Verkehrsträger an räumlich passenden Standorten mittels Verkehrsdrehscheiben verknüpft werden, müssen raumplanerische und umweltpolitische Rahmenbedingungen geschaffen werden, etwa in Richtplänen und Agglomerationsprogrammen.

Mobilitätswende gelingt, wenn wir evolutionäre Muster überdenken

Die Wiener Zoologin und Anthropologin Elisabeth Oberzaucher zeigte auf, dass technologischer Fortschritt allein keine Verkehrswende bringen wird. Mobilität spielte im Laufe der Evolution der Menschen eine zentrale Rolle. Gemeinsam mit den ökologischen Rahmenbedingungen, die unsere Lebensumwelt prägten, entwickelten sich bestimmte Verhaltenstendenzen. Geformt von evolutionären Zwängen entstanden Vorlieben, die heute dazu führen, dass motorisierte und individualisierte Mobilität attraktiv erscheint. Die Mobilitätswende könne nur gelingen, wenn solche evolutionär entstandenen Muster überwunden werden. Dabei könnten Ansätze hilfreich sein, die sich am evolutionär geformten Verhalten orientieren und nachhaltiges Verhalten attraktiver machen. Hierbei spielen einerseits soziale Faktoren wie Alter und Geschlecht eine wichtige Rolle, andererseits aber auch die Nutzungsfreundlichkeit und die Wertigkeit, die wir mit bestimmtem Verhalten assoziieren. Wird nachhaltiges Verhalten zum Statussymbol, so kann es an sich erstrebenswert und massentauglich werden.

Die Diskussionen an der Konferenz zeigten zudem, dass die technologischen Entwicklungen auch für den Güterverkehr neue Möglichkeiten eröffnen, etwa die Elektrifizierung und unterirdische Verkehrssysteme. Olivier Corvez, Geschäftsführer des Smart Freight Centre, und weitere Fachleute waren sich jedoch einig, dass diese allein nicht genügen werden, um den Güterverkehr zu dekarbonisieren. Der Logistikmarkt müsse weiterentwickelt werden, es brauche mehr Schnittstellen, um verschiedene Verkehrsträger zu verknüpfen, und mehr Kooperation unter Konkurrenten. Um Städte und Agglomerationen zu entlasten brauche es zum Beispiel Cityhubs, wo Güter effizient umgeladen und gebündelt in städtische Quartiere ausgeliefert werden können.

Einen wichtigen Teil der Konferenz nahmen 36 Open Sessions ein: Diese Diskussionsplattformen gingen auf unterschiedlichste Fragestellungen ein, vom Sharing über Genderfragen bis zur Multimodalität. Akteure der Mobilitätsbranche – Transportunternehmen, Kantone, Städte und Organisationen – zeigten unterschiedliche Ansätze, wie es möglich sein kann, den Verkehr klimaverträglicher zu gestalten, und wie es gelingt, verschiedene Nutzergruppen anzusprechen. Die Open Sessions sollen dazu ermutigen, erprobte Lösungen zu übernehmen und neue Pfade zu beschreiten, um die Mobilität klimaverträglich zu gestalten.


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