Am 2. Juni 2022, um 11:36 Uhr, prallte im Bahnhof Zollikofen ein Lokzug in den Zugschluss eines aus Sonderfahrzeugen für Gleisbauarbeiten bestehenden, abfahrbereiten Güterzuges. Die vordere Lokomotive des Lokzugs kam auf dem am Schluss des Güterzuges eingereihten Niederflurwagen zum Stehen. Der Lokführer des Lokzugs wurde leicht verletzt.
Ursachen
Die Kollision eines Lokzugs mit einem stehenden, abfahrbereiten Güterzug am 2. Juni 2022 in Zollikofen ist auf die Vorbeifahrt an einem «Halt» zeigenden Signal zurückzuführen. Der Lokführer erwartete, dass das nächste Signal das «Halt» zeigende Ausfahrsignal sein werde. Die zwischen Ein- und Ausfahrsignal vorhandene Signalstaffel nahm er nicht wahr.
Zum Unfall beitragende Faktoren:
- Das fehlerhafte Konfigurieren des ZUB 262ct im Rahmen von Unterhaltsarbeiten durch die Instandhaltungsstelle wurde nicht erkannt. Dies führte zur Störung der Zugbeeinflussung auf der Spitzenlokomotive des Lokzugs.
- Im Vordergrund stand nicht die Störungsbehebung durch den Instandhaltungsbetrieb, sondern das Erfüllen des Fahrauftrages. Dazu wurde die Zugbeeinflussung ausgeschaltet.
- Die Fahrt erfolgte ohne einen zweiten Lokführer.
Sicherheitsempfehlungen
Sicherheitsdefizit
Im Durchschnitt funktioniert auf dem Netz von SBBI das Zugbeeinflussungssystem gemäss groben Schätzungen von SBBI täglich bei drei Zügen nicht korrekt. Verkehren Züge mit nichtfunktionsfähiger Zugbeeinflussung, kann das zu folgenschweren Unfällen führen. Je nach Auslegung lassen die bestehenden, bei einem Ausfall der Zugbeeinflussung anzuwendenden Vorschriften auch Fahrten zu, die nicht mehr nur dazu dienen, das Fahrzeug ohne grössere betriebliche Einflüsse möglichst rasch der Reparatur zuzuführen. In der Regel werden die Vorgaben so interpretiert, dass die Massnahmen einzeln umgesetzt oder optional kombiniert werden können. So werden nur die Optionen kombiniert, die einen möglichst störungsfreien Betrieb mit möglichst geringem Aufwand erlauben. Das führt dazu, dass nach Ausfall der Zugbeeinflussung Fahrzeuge noch während 12 Stunden mit höchstens 80 km/h ohne die zusätzliche Sicherheit mit Begleitung durch einen zweiten Lokführer bewegt werden. Weil diese 12 Stunden als reine Fahrzeit angewendet werden, verkehren defekte Fahrzeuge auch mehrere Tage. Wie beim Vorfall vom 29. November 2017 in Aarau verkehrte beim Ereignis von Zollikofen eine Lokomotive unnötigerweise und mit verminderter Sicherheit aufgrund eines Ausfalls der Zugbeeinflussung ab einem Instandhaltungsstandort. Zudem verkehrte die Lokomotive in beiden Fällen ab einem Lokpersonalstandort, ohne dass die Vorgabe zur Begleitung durch einen zusätzlichen Lokführer umgesetzt wurde.
Sicherheitsempfehlung Nr. 174
Das Bundesamt für Verkehr (BAV) sollte prüfen, inwiefern die Vorgaben bei Ausfall der Zugbeeinflussung so anzupassen sind, dass prioritär das Fahren mit nichtfunktionsfähiger Zugbeeinflussung verhindert wird. Sind zu diesem Zweck noch Fahrten notwendig, dann sind Massnahmen vorzusehen, die das dadurch erhöhte Risiko effektiv reduzieren können.
Sicherheitsdefizit
Es wird keine systematische Auswertung der Meldungen über Ausfälle der Zugbeeinflussung vorgenommen. Zum Ereigniszeitpunkt bestand keine Übersicht, wie lange Triebfahrzeuge ohne Zugbeeinflussung verkehren, aus welchen Gründen Ausfälle der Zugbeeinflussung vorkommen oder die Vorgaben bezüglich Ersatzmassnahmen im Sinn der Vorschriften eingehalten werden.
Sicherheitsempfehlung Nr. 175
Das Bundesamt für Verkehr sollte im Rahmen seiner Aufsichtstätigkeit prüfen, ob die Infrastrukturbetreiberinnen und die Eisenbahnverkehrsunternehmen Ausfälle der Zugbeeinflussung systematisch dokumentieren, die richtigen Schlüsse aus den erhaltenen Meldungen ziehen und daraus Massnahmen ableiten.
Sicherheitshinweis
Sicherheitsdefizit
Es wird keine systematische Auswertung der Meldungen über Ausfälle der Zugbeeinflussung vorgenommen. Zum Ereigniszeitpunkt bestand keine Übersicht, wie lange Triebfahrzeuge ohne Zugbeeinflussung verkehren, aus welchen Gründen Ausfälle der Zugbeeinflussung vorkommen oder die Vorgaben bezüglich Ersatzmassnahmen im Sinn der Vorschriften eingehalten werden.
Sicherheitshinweis Nr. 33
Die Infrastrukturbetreiberinnen und die Eisenbahnverkehrsunternehmen bzw. Fahrzeughalter sollten gemeinsam festlegen, wie sie sich gegenseitig über den genauen Zeitraum, den Ort der Störungsfeststellung, die zurückgelegte Strecke sowie die zur Risikominderung ergriffenen Massnahmen der Fahrten ohne Zugbeeinflussungssystem systematisch informieren und die entsprechenden Daten auswerten.
Beteiligte Unternehmen
- Eisenbahnverkehrsunternehmen:
- BLS Cargo AG (BLSC), Bern
- SBB Cargo AG (SBBC), Olten
- Infrastrukturbetreiberin: SBB AG, Infrastruktur (SBBI), Bern
- Weitere Unternehmen:
- Carlo Vanoli AG (CVT), Samstagern
- Vanomag AG (VMG), Immensee
- Scheuchzer SA (SCHEU), Bussigny
- BLS AG (BLS), Bern
Beteiligte Fahrzeuge
- Lokomotive Re 475, BLSC
- Lokomotive Re 465, BLS
- Lokomotive Re 420, SBBC
- Ein Sonderfahrzeug Bau, SCHEU
- Drei Sonderfahrzeuge Bau, VMG
- Sechs Sonderfahrzeuge Bau, CVT
Links
- SUST – Schlussbericht
- VSLF – Einheitliche Regelung bei der Zugbeeinflussung
- VSLF – Nach acht Monaten einheitliche Sicherheitsregelung bei den Schweizer Bahnen
- VSLF – BLS Cargo reagiert nach Unfall in Zollikofen
- VSLF – Vorschriftenchaos nach Unfall in Zollikofen
- 20 Minuten: Lokführer verursacht heftigen Zug-Crash – jetzt muss er bezahlen
- Blick: Lokomotive prallt in Zollikofen BE auf Bauzug