Weiterentwicklung des Güterverkehrs: Bundesrat gibt zwei Varianten in Vernehmlassung

Der Bundesrat will den Güterverkehr weiterentwickeln und dabei die energie-und klimapolitischen Ziele sowie die Bedeutung der Bahntransporte für die Versorgungssicherheit der Schweiz berücksichtigen. Er hat an seiner Sitzung vom 2. November 2022 beschlossen, zwei Varianten in die Vernehmlassung zu schicken: Die erste Variante sieht modernisierte Rahmenbedingungen für den Schienengüterverkehr mit umfassender finanzieller Förderung durch den Bund vor. Die zweite fokussiert auf wettbewerbliche Anreizinstrumente. Dies hätte allerdings zur Folge, dass bedeutende Güterbahnangebote verschwinden und auf die Strasse verlagert würden. Die digitale, automatische Kupplung für den Schienengüterverkehr soll mit beiden Varianten unterstützt werden, ebenso die Rheinschifffahrt.

Der Bund hat die Rahmenbedingungen für den Güterverkehr letztmals vor knapp einem Jahrzehnt angepasst. Er hat damit wichtige Impulse gesetzt und im Bereich der Infrastruktur- und Raumplanung mehr Planungssicherheit für unternehmerische Aktivitäten geschaffen. Der Schienengüterverkehr konnte indes seinen Marktanteil nicht wie erhofft steigern.  

Der von SBB Cargo angebotene Einzelwagenladungsverkehr ist sehr aufwändig geblieben und weiterhin kostspielig. Dabei werden einzelne Wagen von verschiedenen Anschlussgleisen gesammelt und für den Weitertransport in Rangierbahnhöfen zu ganzen Zügen zusammengestellt. SBB Cargo steht entsprechend vor grossen finanziellen Herausforderungen.

Das Parlament hat den Bundesrat angesichts dieser Entwicklung beauftragt, eine Auslegeordnung zur künftigen Ausrichtung des Güterverkehrs vorzulegen. Der Bundesrat berücksichtigt dabei auch die klima- und energiepolitischen Ziele sowie die Versorgungssicherheit. Gemäss der Klimastrategie 2050 wird für den Güterverkehr die Umstellung der Lastwagen auf erneuerbare Antriebe sowie die Verlagerung auf die Schiene angestrebt.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat beschlossen, zwei Varianten zur Weiterentwicklung des Güterverkehrs in die Vernehmlassung zu geben.

  • Die erste Variante hat zum Ziel, den Schienengüterverkehr technisch und organisatorisch zu modernisieren, die Transportkette Schiene-Schiff zu stärken und dadurch die Treibhausgasemissionen des Gütertransports massgeblich zu vermindern. Der Bundesrat schlägt dazu eine gezielte finanzielle Unterstützung vor. Der Bund soll die Anbieter des Einzelwagenladungsverkehrs finanziell abgelten können. Zudem sind finanzielle Beiträge für die Einführung der digitalen, automatischen Kupplung vorgesehen. Diese trägt dazu bei, den Schienengüterverkehr einfacher, schneller und günstiger zu machen. Deshalb wird sie von allen europäischen Bahnen koordiniert vorangetrieben. Der Bundesrat schlägt mit dieser Variante zudem vor, Geräte zum Warenumschlag sowie Infrastrukturangebote der Rheinschifffahrt finanziell zu unterstützen und einen Bonus einzuführen, dies in Form eines Verbilligungsbeitrags für den Verlad auf die Schiene. Die Kosten für diese Massnahmen belaufen sich für einen Zeitraum von vier Jahren auf rund 600 Millionen Franken. Danach soll das neue System schrittweise eigenwirtschaftlich funktionieren.
  • Die zweite Variante verzichtet auf eine staatliche finanzielle Unterstützung des Einzelwagenladungsverkehrs. Schienengütertransporte sollen grundsätzlich im Wettbewerb mit dem Strassentransport erbracht und finanziert werden. Vorgesehen sind aber auch bei dieser Variante die Unterstützung der Rheinschifffahrt und die Beiträge für die Modernisierung, insbesondere die finanzielle Unterstützung der Branche bei der Einführung der digitalen, automatischen Kupplung. Das ist für den grenzüberschreitenden Verkehr wichtig. Analog zur ersten Variante vorgesehen sind auch die Fördermittel für Geräte zum Warenumschlag und -verlad sowie der «Verlade-Bonus». Diese Variante hat Bundesausgaben von rund 120 Millionen Franken über einen Zeitraum von vier Jahren zur Folge. Der Bundesrat geht davon aus, dass bei dieser Variante der Einzelwagenladungsverkehr mittelfristig eingestellt werden muss und es durch die Verlagerung von Transporten auf die Strasse dort zu einer Zunahme von rund 650’000 Lastwagenfahrten pro Jahr käme. Ein gutes Bahnangebot wäre zudem nur noch dort verfügbar, wo grössere Transportvolumen anfallen – also in den urbanen Gebieten. Der Marktanteil der Schiene würde voraussichtlich um 5 bis 6 Prozentpunkte sinken, im Binnenverkehr um rund 15 Prozentpunkte.

Die Finanzierung der vorgesehenen Massnahmen wird angesichts der angespannten Finanzlage des Bundes bei der Erarbeitung der Botschaft vertieft zu prüfen sein.

Die Vernehmlassung zur Weiterentwicklung des Schienengüterverkehrs dauert bis am 24. Februar 2023.

Stellungnahme LITRA, ASTAG, IG Kombinierter Verkehr, VAP und VöV:
Der Bundesrat hat heute die Vernehmlassungsvorlage zur zukünftigen Ausrichtung des Schienengüterverkehrs in der Fläche verabschiedet. LITRA, ASTAG, IG Kombinierter Verkehr, VAP und VöV sind überzeugt, dass Gütertransporte auf der Schiene sowohl im Inland wie für Importe und Exporte erst recht in Zukunft von grosser Bedeutung sind. Unsere fünf Organisationen unterstützen deshalb ausdrücklich die vorgeschlagene Variante des Bundesrats, mit der der Schienengüterverkehr in der Fläche, und dabei insbesondere der Einzelwagenladungsverkehr, nachhaltig gestärkt wird. Unsere Organisationen weisen auf folgende Ziele und Massnahmen hin, mit denen dies erreicht werden kann.

Die Schweiz hat heute und benötigt auch künftig eine starke Binnengüterverkehrslogistik. Voraussetzung dafür sind Angebote auf Schiene und Strasse, die auf die Bedürfnisse der Kunden der verladenden Wirtschaft ausgerichtet sind. Mit Blick auf die Abhängigkeit unseres Landes von Importen und Exporten und die internationale Vernetzung von Lieferketten müssen die grenzüberschreitenden Verkehre – inklusive Schiffsanbindungen – in diese Betrachtung miteinbezogen werden. Es ist deshalb zwingend, dass die rechtlichen Vorgaben nicht nur für die Schiene weiterentwickelt, sondern für den gesamten Schweizer Gütertransport verbessert werden.

Folgende Ziele sind dabei zu berücksichtigen:

– Zentral sind die Versorgungssicherheit der Schweiz, die Leistungsfähigkeit und Robustheit der dafür notwendigen Infrastrukturen sowie die Redundanz des Logistiksystems.
– Es braucht faire Wettbewerbsbedingungen, damit Unternehmen ihre Güterverkehrsangebote nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und möglichst klimaverträglich erbringen können.
– Das erfolgskritische Zusammenwirken der Verkehrsträger (Ko-Modalität) soll weiter gestärkt werden, damit Branchenakteure, Kunden und Verlader, Behörden und Politik sich insgesamt auf ein verbindliches Zielbild ausrichten, Planungssicherheit haben und investieren können.

Um diese Ziele zu erreichen, ist für alle Verkehrsträger ein angemessener Mix aus eigenen oder staatlichen Investitionen und aus anreizbasierten finanziellen Förderungen notwendig, die diskriminierungsfrei und wettbewerbsneutral ausgerichtet werden. Die Zielerreichung wird durch ein pragmatisches Monitoring sichergestellt, das situative Anpassungen am Massnahmenmix erlaubt.

Handlungsbedarf sehen wir unter anderem für folgende Massnahmen:

– Bahngüterverkehr ist nur mit Digitalisierung und Automatisierungen längerfristig wettbewerbsfähig (digitale automatische Kupplung (DAK), digitale Bremsproben und digitale Daten-/Buchungsplattformen).
– Der Netzwerkverkehr auf der Schiene muss neu organisiert und modernisiert werden.
– Für den Aufbau und den Betrieb dieses zukunftsfähigen Netzwerkangebots sind mindestens vorübergehend finanzielle Beiträge nötig. Von diesen sollen die verschiedenen Betreiber von Bahngüterverkehr und Kunden im Binnenverkehr in gleicher Art und Weise profitieren können. Parallel soll der Druck auf die Eigenwirtschaftlichkeit bei unternehmerischer Freiheit und der Möglichkeit zur Gewinnerzielung hoch sein. Die Dimensionierung des zukünftigen Angebots ist innerhalb der Branche zu entwickeln, politisch zu beschliessen und mittels einer mehrjährigen Leistungsvereinbarung zu bestellen.
– Infrastrukturseitig sind Trassenpreissenkungen auf europäisches Niveau notwendig.
– Strassenseitig gilt es die anstehende Weiterentwicklung der LSVA so zu gestalten, dass die bestehenden Zielsetzungen beibehalten werden, zugleich aber die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen auf die Fahrzeughalter beherrschbar bleiben. Vor diesem Hintergrund bieten sich folgenden Leitlinien an, die in den weiteren Diskussionen zu konkretisieren sind:
— Umsetzung ohne Neuverhandlung des Landverkehrsabkommens mit der EU
— Beibehaltung der bisherigen Tarifobergrenzen, Verzicht auf generelle Erhöhungen
— Gewährleistung einer Planungs- bzw. Investitionssicherheit von 7 Jahren
— Technologieneutrale LSVA-Integration von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben
— Schaffung einer Anschubfinanzierung für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben
— Bestandesgarantie von 1,7 Mia. Franken an LSVA-Erträgen für Bund und Kantone
— Verwendung von Erträgen darüber für einen «Dekarbonisierungsfonds»
— Ausdehnung der pauschalen Rückerstattung der LSVA auf alle multimodalen Kombinationsformen mit Systembruch (Gleichbehandlung Behälter-/Güterumschlag)
– Mit dem «Dekarbonisierungsfonds» sollen Rückerstattungen an die Fahrzeughalter zur Anschubfinanzierung für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben und die oben erwähnten Innovationen und finanziellen Anreize im Güterverkehr auf der Schiene finanziert werden.
– Ceteris Paribus weiterzuführen sind die Investitionen via NAF und BIF in die jeweiligen Infrastrukturen, Umlade- und Terminalanlagen, Anschlussgeleise, etc.
– Das Nachtfahr- und das Kabotageverbot sind unbestritten und sollen im heutigen Umfang weitergeführt werden.

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