Perrons, Unterführungen, Treppen, Rampen und Lifte in Bahnhöfen werden auf Basis wissenschaftlicher Grundlagen dimensioniert. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) wirkt an der Weiterentwicklung des entsprechenden Regelwerks der Branche mit. In den Baubewilligungsverfahren prüft es die Angaben der Bahnen stichprobenweise.
Die ersten wissenschaftlichen Grundlagen zum Platzbedarf von Fussgängerinnen- und Fussgänger-Strömen entstanden in den 1970er-Jahren in den USA. 1993 hat der heutige ETH-Professor Ulrich Weidmann mit seiner Dissertation «Transporttechnik der Fussgänger» das sogenannte Fundamentaldiagramm für Fussgänger entwickelt. Dieses verbindet die physikalischen Grössen «Geschwindigkeit», «Dichte» und «Leistungsfähigkeit» und stellt die massgebliche Grundlage für die Berechnung von Fussgängeranlagen dar. Es wird seither international anerkannt und angewendet.
2008 hat Ulrich Weidmann zusammen mit Stefan Buchmüller im Auftrag von SBB Infrastruktur ein «Handbuch zur Anordnung und Dimensionierung von Fussgängeranlagen in Bahnhöfen» erarbeitet. Dieses Handbuch lieferte umfangreiches Material für die Erarbeitung der «Planungshilfe Publikumsanlagen» des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV), die 2017 publiziert und 2020 revidiert wurde. Diese stellt zurzeit die geltende Grundlage für die Planung und Dimensionierung von Publikumsanlagen der Bahn in der Schweiz dar. Sie befindet sich in Überarbeitung und soll gegen Ende 2024 als sogenanntes Regelwerk Technik Eisenbahnen (RTE) «Publikumsanlagen» des VöV publiziert werden.
Das Bundesamt für Verkehr (BAV) wirkt an der Weiterentwicklung dieses Regelwerks der Branche mit. Es nimmt selber keine Dimensionierungen für Bahnhofs-Anlagen vor, sondern überprüft im Rahmen der Baubewilligungsverfahren stichprobenweise und risikoorientiert, ob die eingereichten Berechnungen der Bahnunternehmen plausibel sind und ob sie das Branchen-Regelwerk gemäss den Vorgaben der Gesetzgebung anwenden. Art. 34 Abs. 4 der Eisenbahnverordnung schreibt vor, dass Perrons so zu gestalten und auszurüsten sind, «dass sie von der Öffentlichkeit sicher benützt werden können».
Langfristiger Horizont
Aus wirtschaftlichen und betrieblichen Gründen werden die Perrons, Unterführungen, Treppen und Rampen grundsätzlich für einen langfristigen Horizont geplant. Das bedeutet, dass die Anlagen so zu dimensionieren sind, dass sie dem erwarteten Wachstum der Fahrgäste in den kommenden Jahrzehnten Rechnung tragen. Bei ihren Planungen müssen die Bahnunternehmen auch sicherstellen, dass während den Bauarbeiten jederzeit genügend Platz für die Passagierinnen und Passagiere vorhanden ist.
Falls es Vorbehalte zu den Plänen der Bahnunternehmen hat, verfügt das BAV in den Baubewilligungen nicht Massnahmen, sondern Sicherheitsziele. Die Bahnen haben dadurch die Möglichkeit, selber Massnahmen zu entwickeln, um die Sicherheitsziele zu erreichen, zum Beispiel mit Gleisänderungen in der Spitzenstunde, welche die Personen gleichmässiger auf die Perrons verteilt.
Internationaler Vergleich
Ein Vergleich mit den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Grossbritannien im Jahr 2018 hat ergeben, dass das schweizerische Vorgehen gemäss «Planungshilfe Publikumsanlagen» des VöV nachvollziehbar ist und bei den Publikumsanlagen zu Dimensionierungen führt, welche im internationalen Vergleich im Mittel liegen.