Im September 2020 haben die SBB ihre konkreten Pläne für den Ausbau des Nachtzugverkehrs vorgestellt. Umverkehr unterstützt diese Vorschläge, ist aber der Meinung, dass sie die Verbindungen von der Westschweiz nach Südeuropa weitgehend vernachlässigen.
Um Nord- und Osteuropa zu erreichen, ist es sicher sinnvoll, über Basel und/oder Zürich zu fahren. Für Reiseziele in Italien, Frankreich, Spanien und Belgien gilt dies aber nicht. Umverkehr schlägt daher die Aufnahme von Nachtzügen ab Genf/Lausanne vor. Umverkehr hat deshalb in Zusammenarbeit mit dem französischen Kollektiv «Oui au train de nuit» die Möglichkeiten einer Erweiterung des Netzes in dieser Richtung geprüft.
Richtungswechsel bei der SBB
Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) betreiben derzeit mehrere Nightjet-Linien von Basel und Zürich nach Wien, Graz, Zagreb, Hamburg, Berlin und Prag. Die SBB haben angekündigt, in den kommenden Jahren die Strecken Zürich – Amsterdam, Zürich – Leipzig, Zürich – Dresden, Zürich – Rom und Zürich – Barcelona wieder aufzunehmen. Dieses neue Engagement ist das Ergebnis eines Richtungswechsels innerhalb des Bundesbetriebs. Noch vor wenigen Jahren vertraten die SBB die Auffassung, dass der Zug sich nur für Fahrten von maximal 3-4 Stunden eigne. Umverkehr begrüsst diesen Meinungsumschwung, ist aber der Meinung, dass noch mehr getan werden muss und vor allem die Westschweiz stärker zu berücksichtigen ist.
Die Vorschläge von Umverkehr zur Erweiterung des Nachtzugsangebots
Unter Berücksichtigung der Besonderheiten der einzelnen Strecken und der potenziellen Nachfrage sowohl seitens der Freizeitreisenden und der Geschäftsreisenden, schlagen Umverkehr und das Kollektiv «Oui au train de nuit» die Schaffung folgender Verbindungen ab Genf/Lausanne vor:
- Bologna – Florenz – Rom – Neapel
- Venedig – Triest
- Perpignan – Figueras – Gerona – Barcelona
- Marseille – Nizza – Monaco – Menton – Vintimiglia (eventuell bis Genua)
- Nantes – Quimper – Brest
- Lille /Cherbourg – Brüssel – Amsterdam
- Montpellier – Toulouse – Bordeaux – und/oder San Sebastian
Die SBB können diese Linien selbstverständlich nicht alleine betreiben; die Verbindungen hängen von der Zusammenarbeit mit den Partnerbahnen ab: SNCF (Frankreich), Trenitalia (Italien) und Renfe (Spanien). Darüber hinaus ist in allen betroffenen Ländern der politische Wille gefragt. Das neue Schweizer CO2-Gesetz, sofern es nicht einem Referendum unterliegt, sieht bis zu 30 Millionen Franken pro Jahr für Nachtzüge vor. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte im August 2020 an, dass er den Nachtzugverkehr reaktivieren will.
Das Kollektiv «Oui au train de nuit» fordert Investitionen in Höhe von 1.5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030, um 15 neue Nachtzuglinien in Frankreich einrichten zu können (und 15 weitere im restlichen Europa). Umverkehr seinerseits fordert Gesamtinvestitionen von mindestens 2.5 bis 3 Milliarden Euro, damit in naher Zukunft wieder ein Nachtzugnetz in Süd-, West-, Nord- und Osteuropa zur Verfügung steht.
Vorteile und Besonderheiten des Nachtzugs
Nachtzüge bieten neben ihren unbestreitbaren ökologischen Vorteilen gegenüber dem Flugzeug auch die Möglichkeit, langsamere, aber dennoch relevante Fahrten ausserhalb des Hochgeschwindigkeitsnetzes zu unternehmen, denn eine Fahrzeit von 8 bis 10 Stunden eignet sich ideal zum Schlafen. Reisen dienen verschiedenen Zwecken. Wie französische Statistiken zeigen, wird die Bahn von 43% der Reisenden für Tourismuszwecke, von 22% für private Besuche (Familie, Freunde) und von 28% für berufliche Zwecke (Arbeit, Studium) genutzt. Der Nachtzug weist weitere Vorteile gegenüber dem Flugzeug aus: Da Sie morgens an Ihrem Zielort ankommen, gewinnen Sie einen Tag und können eine Hotelübernachtung einsparen. Zudem können Sie bei Bedarf mehr Gepäck mitnehmen und verfügen über mehr Platz als im Flugzeug.
Die Videos der Umverkehr-Fachtagung 2020 sind online! |
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Am 26. November 2020 fand die Umverkehr-Fachtagung «Zug statt Flug: Mehr als eine klimafreundliche Alternative?» statt. Videos und Präsentationen sind auf dieser Seite abrufbar. |