Bundesrat hält am Kooperationsmodell im Eisenbahn-Fernverkehr fest

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 23. Juni 2021 veröffentlicht.

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Der SOB Traverso RABe 526 101 am 26. August 2019 zu Vorstellungszwecken im Bahnhof Bern. / Quelle: Sandro Hartmeier

Die heutige Marktordnung im öffentlichen Personenverkehr hat sich bewährt. Sie soll darum weitergeführt werden. Diesen Schluss zieht der Bundesrat in einem Bericht, den er an seiner Sitzung vom 23. Juni 2021 gutgeheissen hat. Der Fernverkehr auf der Schiene soll weiterhin unter einer Einheitskonzession der SBB betrieben werden. Der Bundesrat ist überzeugt, dass dies der Schweiz auch in Zukunft einen erfolgreichen und innovativen Fernverkehr garantiert. Im internationalen Personenverkehr hält der Bundesrat am bestehenden Kooperationsmodell fest, im Eisenbahn-Regionalverkehr an Direktvergaben.

Mit Blick auf die Erneuerung der Eisenbahn-Fernverkehrskonzession hat das Parlament dem Bundesrat den Auftrag erteilt, in einem Bericht die künftige Marktordnung im regelmässigen und gewerbsmässigen Personenverkehr darzulegen. Jetzt liegt der Bericht vor. Eingeflossen sind darin unter anderem die Erfahrungen der letzten Konzessionsvergabe im nationalen Fernverkehr auf der Schiene. 2019 konnte dank Vermittlung des Bundes zwischen der SBB und der BLS eine gütliche Einigung gefunden und so ein langwieriger Rechtstreit vermieden werden. Die Bahnen einigten sich auf eine Kooperationslösung: Die SBB erhielt eine Einheitskonzession, BLS und SOB bedienen darunter einzelne Fernverkehrslinien.

Der Bundesrat hat entschieden, an diesem Modell festzuhalten. Für die Erneuerung der Fernverkehrskonzession im Jahr 2029 strebt er wiederum eine Direktvergabe des gesamten Netzes an die SBB an. Gleichzeitig soll die SBB dazu verpflichtet werden, andere interessierte Transportunternehmen mit dem Betrieb einzelner Linien zu beauftragen. Der Bundesrat ist überzeugt, mit diesem Modell auch in Zukunft einen erfolgreichen, mit dem übrigen Verkehr abgestimmten und innovativen Fernverkehr in der Schweiz gewährleisten zu können.

Kooperationen im internationalen Verkehr, Direktvergaben im Regionalverkehr

Die grenzüberschreitenden Angebote des Schienenfernverkehrs werden heute von der SBB in Kooperation mit ausländischen Partnerbahnen erbracht. Auch dieses Modell hat sich nach Überzeugung des Bundesrats bewährt: Dadurch können die Kräfte gebündelt werden. Zudem kann so die Vereinfachung und Harmonisierung von technischen und organisatorischen Lösungen effizient sichergestellt werden. Der Bundesrat erwartet von der SBB, dass sie ihre Kooperationen ausbaut und die internationale Marktstellung weiter stärkt.

Im Regionalen Personenverkehr auf der Schiene sollen die Konzessionen weiterhin direkt an die Transportunternehmen vergeben werden. Der Bundesrat will da auf Ausschreibungen weiterhin verzichten. Im regionalen Busverkehr sollen wie bis anhing auch Ausschreibungen möglich sein.

Der Bundesrat hat den Bericht in Erfüllung des Postulats 14.3259 (Regazzi) verfasst.

Stellungnahme SEV: SEV-Position auf ganzer Linie bestätigt
Der Bundesrat setzt im nationalen Fernverkehr weiterhin auf eine Einheitskonzession der SBB und hält auch im internationalen Personenverkehr am bestehenden Kooperationsmodell fest. Darüber ist die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV sehr froh. «Das misslungene Experiment der Ausschreibung von Fernverkehrslinien hat gezeigt, dass beim Fernverkehr nicht Wettbewerb, sondern Kooperation der richtige Weg ist», sagt Daniela Lehmann, Koordinatorin Verkehrspolitik im SEV.

«Für den SEV war immer klar, dass es am besten ist, wenn der Fernverkehr wie bisher aus einer Hand geplant, gesteuert und betrieblich koordiniert wird – unter dem Dach einer langlaufenden, übergreifenden Konzession», führt Daniela Lehmann aus. «So hat das Beispiel der Bahnliberalisierung in Schweden gezeigt, dass durch Wettbewerb im Fernverkehr hohe indirekte Kosten anfallen bei der Beschaffung, dem Einsatz, dem Unterhalt und dem Abstellen von Rollmaterial wie auch beim Personal durch schlechtere Dienstpläne und zusätzliche Dienstlokale. Wettbewerb macht zudem den Betrieb unnötigerweise komplexer, namentlich bei Störungen und Baustellen, und gefährdet die Qualität des Gesamtsystems öffentlicher Verkehr, weil jeder Wettbewerber in erster Linie auf seinen Gewinn schaut statt auf einen guten Gesamtservice an der Kundschaft. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren des öV in der Schweiz ist das Miteinander statt Gegeneinander aller Beteiligten.»
 
«Auch ist die Versuchung gross, Wettbewerb über die Anstellungs-, Arbeits- und sozialen Bedingungen des Personals auszutragen», betont Daniela Lehmann. «Zudem führen Wechsel des Betreibers von Linien zu riesigem Aufwand im Personalbereich, wenn Hunderte von Mitarbeitenden das Unternehmen und die Pensionskasse wechseln müssen und bestehende Gesamtarbeitsverträge angepasst werden müssen. Ganz zu schweigen vom administrativen Aufwand von Ausschreibungen an sich.»
 
Kurz: «Wir vom SEV sind sehr erleichtert, dass unsere eindringlichen Warnungen jetzt auch auf Regierungsebene Gehör gefunden haben. Dazu beigetragen hat sicher auch das öffentliche Gezerre zwischen SBB und BLS um Fernverkehrslinien samt einem drohenden jahrelangen Rechtsstreit…»

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