Die Corona-Krise hat den öV sehr hart getroffen. Die Erträge sind in allen Verkehrssegmenten eingebrochen, im touristischen Verkehr aufgrund der verordneten Betriebseinstellung sogar vollständig. Umgekehrt konnten die Kosten aufgrund der weitgehenden Aufrechterhaltung des Angebots nur in begrenztem Masse gesenkt werden. Dies hatte zur Folge, dass für den ganzen öV-Sektor mit hohen Ertragsausfällen und Defiziten zu rechnen ist. Die LITRA und der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) begrüssen vor diesem Hintergrund ausdrücklich den Parlamentsentscheid betreffend das dringliche Bundesgesetz über die Unterstützung des öV in der Covid-19-Krise.
Die LITRA und der VöV beurteilen den umfassenden Massnahmenplan des Bundes als fair, ausgewogen und in der Summe als sehr positiv. Unmittelbar kann damit verhindert werden, dass der öV und der Schienengüterverkehr durch den Abbau oder die Einstellung von Transportangeboten aufgrund der COVID-19-Krise nachhaltig geschädigt werden. Der öV kann weiterhin eine tragende Rolle in der Mobilität einnehmen und sich weiterentwickeln. Neben Bund, Kantonen und Gemeinden müssen sich auch die Transportunternehmen im Rahmen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit am Defizit beteiligen.
Für die einzelnen Sparten sind konkret folgende Massnahmen vorgesehen:
- Bund und Kantone decken im Regionalen Personenverkehr (RPV) die Defizite, die in der Jahresrechnung 2020 ausgewiesen werden. Die Unternehmen müssen sich mit der Auflösung ihrer zweckgebundenen Spezialreserven an den Kosten beteiligen.
- Um negative Effekte im alpenquerenden Kombinierten Verkehr abzufedern, wird der Abbau bei den Abgeltungen im kombinierten Güterverkehr für die Jahre 2020 und 2021 ausgesetzt. Im übrigen Schienengüterverkehr und bei anderen für die Verlagerung wichtigen Unternehmen sollen die Einnahmenausfälle mit einem einmaligen Beitrag kompensiert werden.
- Um massive Einschnitte bei Unterhalt, Betrieb und Ausbau der Bahninfrastruktur zu vermeiden, sind verschiedene Massnahmen vorgesehen. Dank diesen soll es in diesem und im nächsten Jahr beim Substanzerhalt und Ausbau des Bahnnetzes keine Einschränkungen geben.
- Im Ortsverkehr soll der Bund einen Drittel der Covid-bedingten Ausfälle übernehmen. Wie beim RPV erfolgt die Abgeltung aufgrund der Linienerfolgsrechnungen der Unternehmen.
- Sofern sich die Kantone an den Ausfällen im touristischen Verkehr beteiligen, werden touristische Angebote ebenfalls vom Bund unterstützt, mit 80% des Beitrags des Kantons.
- Schliesslich kann auch der Autoverlad in den Jahren 2020 und 2021 mit A-fonds-perdu-Beiträgen unterstützt werden.
- Unterstützungen im Güterverkehr, im touristischen Verkehr und beim Autoverlad werden nur gewährt, wenn in den Jahren 2020 und 2021 keine Dividenden ausgeschüttet werden.
Mit diesem dringlichen Bundesgesetz wird aus Sicht der LITRA und des VöV sichergestellt, dass das Gesamtsystem öV weiterhin einen grossen Nutzen als Grundversorger stiftet. Und weil der öV auch ein wichtiger Wirtschaftszweig für die Schweiz ist – mit rund 100’000 Personen, die in irgendeiner Form für den öV arbeiten – ist das Gesetz ebenso eine notwendige Massnahme zur Stärkung der Wirtschaft.
Stellungnahme SEV: Fernverkehr geht leer aus |
---|
Der Nationalrat hat sich für die finanzielle Unterstützung des öffentlichen Verkehrs ausgesprochen, der aufgrund der Coronakrise hohe Ertragsausfälle verzeichnet. Und er hat die Unterstützung auf wichtige Bereiche ausgedehnt. Eine bürgerliche Mehrheit im Parlament empfand es allerdings nicht für nötig, den Fernverkehr ebenfalls zu berücksichtigen, auch wenn sich SEV-Gewerkschaftssekretärin und Nationalrätin Edith Graf-Litscher mit einem Antrag dafür eingesetzt hat. Der Bundesrat hat mit dem «Dringlichen Bundesgesetz über die Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Covid-19-Krise» eine Vorlage zur Unterstützung der arg gebeutelten Transportunternehmen ausgearbeitet. Das Parlament hat das Geschäft am 10. September 2020 verabschiedet. Erfreulich für den SEV: Die grosse Kammer folgte dem Ständerat und nahm den touristischen Verkehr, den Ortsverkehr und den Autoverlad in die Vorlage auf. «Wir begrüssen diese Ausweitung sehr und haben uns immer auch für eine Absicherung des gesamten öffentlichen Verkehrs eingesetzt. Denn unsere Mitglieder und deren Kolleginnen und Kollegen in allen Sparten tragen mit viel Einsatz massgeblich zum öV-System Schweiz bei», zeigt sich SEV-Präsident Giorgio Tuti erfreut. Hingegen haben die bürgerlichen Nationalräte den Minderheitsantrag von Nationalrätin und SEV-Gewerkschaftssekretärin Edith Graf-Litscher abgelehnt, mit dem sie sich dafür stark gemacht hat, auch den Fernverkehr in die Vorlage aufzunehmen. Man sei «im Gespräch mit der SBB» und auch das BAV sei «zum Schluss gekommen, dass es im Bereich des Fernverkehrs keine zusätzliche Unterstützung braucht», so das Votum der Bundespräsidentin. Die SBB habe mit den Gewinnen, die sie auch in den letzten Jahren gemacht habe, diese Situation im Griff. Angesichts des von der SBB kommunizierten Halbjahresverlusts in der Höhe von 479 Millionen Franken bleibt für den SEV allerdings fraglich, ob dem tatsächlich so ist. Der SEV befürchtet jedenfalls, dass nun das Personal unter Druck gerät. «Wir werden uns mit allen Mitteln dafür einsetzen, dass allfällige Sparübungen nicht auf dem Buckel der Mitarbeitenden ausgetragen werden. Mitarbeitende, die notabene mit ihrer wertvollen Arbeit auch in diesen schwierigen Umständen die Schweiz zusammengehalten haben», betont Giorgio Tuti. |
MeinungEigene Meinung zum Thema?Jetzt kommentieren |