Die Verkehrspersonalgewerkschaften SEV und Vida haben am Dienstag, 19. Juli 2022 in St. Gallen mit einer symbolischen Aktion auf die Gefahr von Lohndumping auf Schweizer Schienen aufmerksam gemacht. Sie überreichten dem aus Lindau eintreffenden ÖBB-Lokführer die Lohndifferenz von rund 20 Franken. So viel weniger zahlt die ÖBB als die SBB für eine Arbeitsstunde. Gemeinsam fordern die österreichische und die schweizerische Gewerkschaft, dass alle Lokführer:innen auf Schweizer Boden nach Schweizer Standards bezahlt werden, egal, von wem sie beschäftigt werden. Denn: «Wir wollen kein Dumping auf Schweizer Schienen!»
Aus betrieblichen Gründen fährt seit dem Fahrplanwechsel im letzten Dezember Lokpersonal der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) Eurocity-Züge München–Zürich zwischen Lindau (D) und St. Gallen auch in der Schweiz. Für die Schweizer Lokführer:innen ist dabei die Gefahr von Dumping gross, und sie wollen ihre Kolleg:innen von der Gewerkschaft vida unterstützen, die zurzeit daran sind, eine Angleichung ihrer Lohnbedingungen für die auf Schweizer Boden gearbeitete Zeit auszuhandeln.
Tatsächlich verdienen bei den ÖBB Lokführer:innen, die gerade die Ausbildung beendet haben, mit rund 17 Euro pro Stunde netto (Grundlohn ohne Zulagen) etwa halb so viel wie SBB-Ausbildungsabgänger:innen, die rund 34.40 Franken pro Stunde netto erhalten.
«Wenn ein Lokführer eine Leistung ganz oder teilweise auf dem Gebiet der Schweiz fährt, darf sein Lohn nicht tiefer sein als der Grundlohn in diesem Beruf in der Schweiz»
, erklärt Valérie Solano, Vizepräsidentin des SEV.
«Dieses Prinzip muss angewendet werden, um Dumping zu vermeiden. Wie die Zeit auf Schweizer Boden vergütet wird, ob mit einer Prämie oder Zulage, ist uns egal, solange der Ausgleich wirklich erfolgt und überprüfbar ist!»
Die Gewerkschaften Vida und SEV wollen mit der Aktion die Verantwortlichen auf beiden Seiten der Grenze ansprechen. Zwar sind sich alle einig, dass die betriebliche Lösung, die für diesen speziellen Fall gefunden wurde, pragmatisch ist, doch bisher war es schwierig, das Prinzip des gleichwertigen Lohns auf Schweizer Schienen in den Löhnen des ÖBB-Lokpersonals umzusetzen.
ÖBB auf Tauchstation
«Die ÖBB hüllen sich in Schweigen, selbst auf Anfrage des Zentralbetriebsrates wurden bisher keine Auskünfte erteilt»
, berichtet Reinhard Stemmer, Landesvorsitzender Vorarlberg der Gewerkschaft Vida und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB).
«Wir fordern die ÖBB auf, in Verhandlungen zu treten, ansonsten werden wir die Solidarität der Triebfahrzeugführenden organisieren müssen.»
«Dumping ist eine Praxis, die uns alle betrifft»
, unterstreicht Hanny Weissmüller, Zentralpräsidentin des SEV-Unterverbands des Lokomotivpersonals (SEV-LPV).
«Unser Schweizer Bahnsystem gilt in Europa als vorbildlich. Wir dürfen nicht zulassen, dass es verschlechtert wird.»
«Wir Arbeitnehmenden können uns immer einigen»
, sagt Marcel Maurer, Zentralsekretär LPV und Vizepräsident der LPV-Sektion BLS.
«Es ist wichtig, dass wir für Einsätze in unserem Land, aber auch in anderen Ländern gute Anstellungs- und Arbeitsbedingungen aushandeln können. Denn auf dem Spiel steht die Sicherheit der Fahrgäste, die wir befördern, und unsere eigene. Auch wenn wir für verschiedene Unternehmen arbeiten, ist Solidarität für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir möchten, dass die Verantwortlichen sich dessen bewusst sind, statt uns gegeneinander auszuspielen.»
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