Generalversammlung: IGöV sagt Nein zur grössten Fahrplanverschlechterung aller Zeiten

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 17. Juni 2023 veröffentlicht.

10
Züge der SBB in der Halles des Bahnhofs Basel SBB. / Quelle: Keystone, Georgios Kefalas

Seit kurzem zirkuliert in Fachkreisen das überarbeitete Angebotskonzept des BAV für den Bahnfernverkehr für das Jahr 2035 (AK 2035). Es hätte in weiten Teilen der Schweiz massive Verschlechterungen für die Kundinnen und Kunden zur Folge: zum Teil deutlich längere Fahrzeiten, schlechtere Anschlüsse in den grossen Umsteigeknoten, Verzicht auf schnelle Neigezüge sowie häufigeres Umsteigen an den Landesgrenzen bei den internationalen Verbindungen. Die IGöV weist dieses Angebotskonzept entschieden zurück und verlangt eine «Überarbeitung der Überarbeitung». Die vom Parlament bis 2035 bewilligten 19 Milliarden Franken für den Bahnausbau müssen zu Verbesserungen für die Kundinnen und Kunden führen, nicht zu Verschlechterungen.

Das überarbeitete Angebotskonzept ist die Folge des Verzichts auf die Wankkompensation bei den neuen Fernverkehrszügen, aber auch Folge der Überarbeitung der Planungsparameter des BAV für die Fahrplanplanung mit längeren Fahrzeiten, längeren Aufenthaltszeiten in den Bahnhöfen, Verzicht auf Neigezüge sowie langsameren Beschleunigungswerten für die Zügen. Das BAV hat darüber Ende Februar 2023 informiert. Die Folge: das bisherige Angebotskonzeptkonzept für die Jahre nach 2035 gemäss Bundesbeschluss vom 21. Juni 2019 ist «nicht mehr fahrbar».

Das überarbeitete Angebotskonzept 2035 sieht unter anderem die folgenden Verschlechterungen vor:

  • Spürbar längere Fahrzeiten und längere Haltezeiten im Fernverkehr
  • Massive Fahrzeitverlängerung um 20 Minuten auf der Jurasüdfusslinie Genf-Basel und um mindestens 30 Minuten auf der Strecke Zürich-München
  • Schlechtere Anschlüsse in zahlreichen Knotenbahnhöfen, u.a. Lausanne, Neuchâtel, Olten, Luzern, St. Gallen, in Bern deutlich schlechtere Anschlüsse in Richtung Berner Oberland
  • Wegfall der Direktverbindungen von der Westschweiz nach Luzern
  • Inakzeptable Verlegung der Railjet-Züge von Zürich nach Wien auf die 40 Minuten langsamere Strecke via St. Margrethen
  • Keine IC-/EC-Züge mehr von Basel-Olten-Luzern ins Tessin (nur noch Umsteigeverbindungen)
  • Wegfall des sogenannten Arth-Goldauer Wechsels (Züge fahren abwechslungsweise von Zürich bzw. Luzern via Basisstrecke bzw. Bergstrecke nach Süden und umgekehrt).
  • Erhebliche Verschlechterung der internationalen Anbindung. So sollen Züge aus Deutschland und Frankreich nur noch bis Basel SBB fahren, wo die Reisenden in Zukunft umsteigen müssen. Nicht einmal der TGV von Paris soll nach Zürich weiterfahren. Für die IGöV ist das indiskutabel.
    Wenn nur ein Bruchteil von dem umgesetzt wird, was aus den Unterlagen des BAV ersichtlich ist, dann steht der Schweiz die grösste Fahrplanverschlechterung aller Zeiten bevor. Damit gewinnen wir keine Fahrgäste, wir vertreiben sie.

Die IGöV fordert, dass das neue Angebotskonzept 2035 vom BAV zurückgenommen und massiv überarbeitet wird. Sie fordert, dass die heutigen Fahrzeiten der Fernverkehrszüge auch in Zukunft gelten. Für die IGöV gibt es keinen Grund für eine systematische «Verlangsamung» des Systems Bahn. Die IGöV fordert, dass am Jurasüdfuss auch in Zukunft schnelle Neigezüge verkehren und die heutigen attraktiven Angebote aufrechterhalten werden. Dazu ist in diesem Jahrzehnt eine Ersatzbeschaffung für Neigezüge (Ersatz für ICN) mit Inbetriebnahme ab 2040 in die Wege zu leiten. Um zusätzliche Fahrzeitreserven zu gewinnen oder punktuell Fahrzeitgewinne realisieren zu können, sind im Fernverkehr wie bei den S-Bahnen stärker motorisierte Züge zu beschaffen und geeignete Strecken für höhere Geschwindigkeiten anzupassen. Als Ausgleich zum Verzicht auf die Neigetechnik bei den neuen Fernverkehrs-Doppelstockzügen sind mit hoher Priorität zwischen Lausanne und Fribourg sowie zwischen Winterthur und St. Gallen Neubaustrecken zu realisieren.

Florence Brenzikofer zur Präsidentin der IGöV gewählt
Die Generalversammlung wählte Nationalrätin Florence Brenzikofer einstimmig zur neuen Präsidentin der IGöV Schweiz. Florence Brenzikofer ist seit 2019 Nationalrätin der Grünen und seit April 2022 Mitglied der nationalrätlichen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen. Einer ihrer öv-Politischen Schwerpunkte ist die Tarifpolitik. Ihre Ziele formulierte sie an der GV wie folgt: «Bei der Tarifgestaltung haben wir es heute mit einem bunten Flickenteppich zu tun. Um den öV gegenüber dem MIV zu stärken, braucht es ein schweizweit einfaches, kostengünstiges Angebot für alle. Nur so lassen sich die Klimaziele im Verkehrsbereich erreichen.»

Der scheidende Präsident, Christoph Wydler würdigte ihre Wahl: «Ich freue mich, dass wir Florence Brenzikofer für die IGöV gewinnen konnten. Damit wird die IGöV als wichtigste Kundenorganisation des öffentlichen Verkehrs auf nationaler Ebene entscheidend gestärkt.» Christoph Wydler wurde für seine Verdienste für die IGöV gewürdigt. Er bleibt als Vizepräsident weiterhin für die IGöV aktiv. Der zweite Vizepräsident, Hans Meiner, wurde in seinem Amt bestätigt.
Analyse AS 2035 BAV Text_IGoeV Schweiz_6 23 (1)
Quelle: IGöV Schweiz

Links

Meinung

Eigene Meinung zum Thema?

Jetzt kommentieren

10 Kommentare

  1. Hat an diesem Bericht vielleicht die KI (künstliche Intelligenz) mitgewirkt, oder haben hier eventuell Personen ohne eigene Intelligenz mitgeschrieben. So einen Blödsinn kann nur von hirnlosen Individuen erzählt werden.

    • @Hans Peter Lehner
      Es handelt sich um eine Pressemitteilung der IGöV Schweiz. Diese dokumentiert die bekannten Fakten zum Ausbauschritt 2035 und kritisiert diese ebenso.

  2. Anscheinend will das BAV den ÖV an die katastrophalen Verhältnisse von Deutschland anpassen… Und anscheinend soll man wieder aufs Auto umsteigen…
    Alles wird teurer, aber je länger je schlechter…

  3. Verstehe nicht ganz … geht es Ihnen um den Artikel hier und nicht um den Inhalt des Fahrplan-Konzepts?
    Wenn ja, dann hätte ich bitte wenigstens ein Beispiel, bei dem Sie denken, es sei von einer KI verfasst und nicht von „hirnlosen Idividuen“. Ich denke mal, dass ein Grossteil der Information direkt aus dem Konzept oder einer Zusammenfassung stammt und damit tatsächlich wenig eigene Intelligenz der Schreiber notwendig war.

  4. In der Tat! — Da habe ich gar den Verdacht, dass das BAV zuviel in deutscher-bahn-AG-denkende Entscheider und gar Planer in seinen Reihen hat. Das Ganze klinkt nach einem schrecklichen Anfang den ITF aufzugeben und das eiserne Gesetz, dass dabei ERST der Fahrplan festgelegt und DANN geschaut wird, welche Bau- und anderen Maßnahmen nötig sind, diesen stabil fahren zu können. Deutschland (DB Netz) macht und denkt es — sogar beim Schlagwort „Deutschlandtakt“, der großmäulig als ITF nach Schweizer Vorbild verkauft wird, eben nicht so, sondern baut, baut, baut teuer und schaut dann „ohne eigene Intelligenz“ wie es einen Fahrplan hinkriegt. — Wie das Einkaufen von ehemaligen deutschen Bahnlern der „modernen“ Art wie ein Krebsgeschwür im hervorragenden Schweizer Bahnsystem wirkt, kann man an den „Rappelkisten“ Bombardier Dosto-IC/IR unschwer erkennen. — Wehret den Anfängen!

  5. @Redaktion: Seltsam, wenn ich auf „Anwort“ klicke, um einem Vorkommentierer zu antworten, landet meine Antwort eben nicht unter dessen Beitrag, eingerückt, sondern unzugeordnet am Ende der Beiträge. Auch wird kein Hinweis wie etwa „Anwort auf @Vorkommentierer“ automatisch ergänzt.

  6. Der Elefant im Raum ist zwischen den Zeilen zu lesen: Der konstante Drang nach mehr *Kapazität*. Und die braucht es, weil unsere Infrastruktur einfach nicht für diese Überbevölkerung angepasst ist, und auch nicht anzupassen ist (denn wie will man schon mehr Bahnstrecken bauen, wenn alles schon verbaut wurde?).
    Irgendwann müssen auch die Linken und Netten kapieren, dass dieses Land hoffnungslos überbevölkert ist, und wenn wir nicht ein für alle Mal die masslose Zuwanderung stoppen dann viel mehr solche Projekte brauchen werden: Die Züge fahren wie eine U-Bahn in dichter Taktfolge, kaum direktzüge, und mit zwei, drei, vier mal Umsteigen. Anders kann man ja die Nachfrage sonst nicht stemmen!
    Also, seien wir endlich mal ehrlich mit dieser Frage. Man kann nicht einerseits jedes Jahr um so und so viel Prozent der Bevölkerung wachsen, und sich dann wundern wenn solche Fahrpläne entstehen, die nur noch darauf ausgerichtet sind, die Kapazität zu maximieren.

  7. Auf vielen Strecken mit ETCS schleichen die Züge geradezu in die Bahnhöfe, siehe bsp. Zug auf Gleis 2. Ein Betrieb der Bahnhöfe Stadelhofen oder Hardbrücke wäre auf diese Art kaum möglich.
    Weiss jemand Bescheid, ob es Bestrebungen gibt, die Bremskurven bei ETCS an diejenigen der konventionellen Signalisierung anzupassen?
    Damit könnte die Kapazität ohne Investitionen in die Infrastruktur oder Fahrzeuge erhöht werden.

Kommentar schreiben

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Die mobile Version verlassen