Für behindertengerechte Bahnhöfe sind weitere Anstrengungen der Bahnen nötig

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 4. Februar 2021 veröffentlicht.

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Der im Jahr 2018 erneuerte SZU Bahnhof Zürich Triemli. / Quelle: SZU

Von rund 1800 Bahnhöfen und Eisenbahn-Haltstellen in der Schweiz sind inzwischen 873 für Gehbehinderte und körperlich beeinträchtigte Menschen selbständig benutzbar – das sind 54 mehr als im Vorjahr. Sie entsprechen dem Behindertengleichstellungsgesetz. Das geht aus dem neuen Standbericht des Bundesamts für Verkehr (BAV) hervor. Unternehmen, welche die gesetzliche Frist bis 2023 nicht einhalten können, müssen einen Umsetzungsplan einreichen. Damit sollen weitere Verzögerungen vermieden werden.

Bis Ende 2023 müssen die Bahnhöfe und Eisenbahn-Haltestellen der Schweiz baulich an die Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) angepasst werden, soweit solche Anpassungen verhältnismässig sind. Für die Umsetzung sind die Bahnen bzw. die Infrastrukturbetreiberinnen verantwortlich. Zu deren Unterstützung hat das BAV 2017 das «Umsetzungsprogramm BehiG» gestartet.

Wie der neue Standbericht zeigt, entsprach Ende 2019 knapp die Hälfte der Bahnhöfe und Eisenbahn-Haltestellen den BehiG-Vorgaben: Von 1800 können 873 Stationen von Gehbehinderten und körperlich beeinträchtigten Menschen autonom benutzt werden. Das sind 54 mehr als im Vorjahr. Weil bisher vor allem die grossen Bahnhöfe saniert wurden, führt dies dazu, dass 66 Prozent aller Reisenden davon profitieren. Gemäss den Umsetzungsplänen der Bahnen wird sich der Anteil der Passagiere, die autonom reisen können, bis 2023 auf mindestens 86 Prozent erhöhen.

Bei rund 323 Projekten werden die Bahnen trotz mehrfacher Intervention des BAV die Anpassungsfrist von Ende 2023 voraussichtlich verpassen. Das entspricht 18 Prozent der Bahnhöfe. Die betroffenen Unternehmen geben als Grund fehlende Ressourcen bei Planung und Personal an. Für alle Projekte, deren Baubeginn erst nach Abschluss der Frist angesetzt ist, hat das BAV verbindliche Termin- und Finanzierungspläne eingefordert. Damit sollen weitere Verzögerungen möglichst vermieden werden. Für 240 Bahnhöfe und Eisenbahn-Haltestellen liegen diese Pläne vor. Bei rund 7 Prozent der Bahnhöfe und Haltestellen erweist sich eine bauliche Anpassung als unverhältnismässig, weil u.a. das Passagieraufkommen im Verhältnis zu den Kosten sehr klein ist. Hier müssen spätestens Ende 2023 Ersatzmassnahmen angeboten werden. Dabei steht die Hilfestellung durch Personal des Unternehmens im Vordergrund.

Das BAV wird die Bahnen bei der Umsetzung des BehiG weiterhin eng begleiten. Die Anpassungen sollen mit den laufenden Eisenbahn-Ausbauprogrammen und dem ordentlichen Substanzerhalt koordiniert werden, damit jeder Bahnhof und jede Eisenbahn-Haltestelle möglichst nur einmal umgebaut wird. Von der Umsetzung des BehiG an den Bahnhöfen und Eisenbahn-Haltestellen profitieren alle Personen, die den öffentlichen Verkehr nutzen: Das Ein- und Aussteigen wird so bequemer. Für Personen mit eingeschränkter Mobilität, Seniorinnen und Senioren, Passagiere mit viel Gepäck oder Kinderwagen sowie für Reisende, die beispielsweise nach einem Unfall an Krücken gehen, ist der stufenfreie Perronzugang und der niveaugleiche Einstieg in die Fahrzeuge besonders wichtig. Dadurch wird es für diese Personen möglich, den öffentlichen Verkehr selbständig zu benützen.

80 Prozent der Fahrgäste an BLS-Bahnhöfen reisen barrierefrei
Aktuell erfüllt die BLS an 72 ihrer 118 Bahnhöfe die Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes. Davon profitieren 80 Prozent aller Fahrgäste, die an BLS-Bahnhöfen ein- und aussteigen. In den kommenden Jahren baut die BLS weitere Bahnhöfe um und nimmt ihre neuen MIKA-Züge in Betrieb. So fördert sie den barrierefreien Zugang zur Bahn weiter.

Die BLS ist bei der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) gut im Zeitplan. Aktuell erfüllen 72 von 118 BLS-Bahnhöfen die Vorgaben des BehiG. Weil die BLS grosse Bahnhöfe zuerst umgebaut hat, profitieren heute bereits 80 Prozent aller Fahrgäste, die an BLS-Bahnhöfen ein- und aussteigen, von einem barrierefreien Zugang zur Bahn. Der BLS ist die Umsetzung des BehiG wichtig. Es nützt allen Fahrgästen des öffentlichen Verkehrs, insbesondere jedoch hör- und sehbehinderten Menschen, mobilitätseingeschränkten Personen und Reisenden mit Kinderwagen oder viel Gepäck. Insgesamt investiert die BLS rund 200 Mio. Franken in den BehiG-konformen Umbau ihrer Bahnhöfe.

30 weitere Bahnhofumbauten bis 2023

Bis Ende 2023 wird die BLS voraussichtlich an 30 weiteren Bahnhöfen einen barrierefreien Zugang zur Bahn sicherstellen, bis Ende 2025 folgen nach aktuellem Planungsstand sechs weitere Bahnhöfe. Gründe für die Umbauten nach 2023 und damit ausserhalb der gesetzlichen Frist sind zum Beispiel Einsprachen, Abhängigkeiten zu anderen Bauprojekten oder Unsicherheiten über das künftige ÖV-Angebot.

In einigen Fällen wird die BLS das BehiG nicht oder nicht vollständig umsetzen, weil entweder die baulichen Investitionen unverhältnismässig hoch wären oder weil die Bahnhöfe in den kommenden Jahren gemäss dem von den Kantonen vorgesehenen ÖV-Angebot aufgehoben werden. Wo der barrierefreie Zugang zur Bahn nicht vollständig umgesetzt wird, bietet die BLS eine Ersatzlösung an, zum Beispiel durch eine Hilfestellung für Fahrgäste vor Ort.

Nur noch barrierefreie Züge dank neuer Flotte

Ab Juni 2021 setzt die BLS schrittweise ihre 58 neuen MIKA-Züge ein und ersetzt damit auch die letzten nicht BehiG-konformen Züge. Sobald im Jahr 2025 die gesamte MIKA-Flotte in Betrieb ist, werden alle Fahrgäste der BLS in barrierefreien Zügen reisen. Die Busflotte der BLS entspricht bereits den Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes.

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