transfair will das Personal im öffentlichen Verkehr besser vor Aggressionen und Tätlichkeiten schützen. Der Bundesrat stiehlt sich aus der Verantwortung.
Lokführer Simon B.* macht sich frühmorgens am Zürcher Hauptbahnhof auf den Weg, seine Lok in Betrieb zu nehmen. Drei Männer kommen ihm entgegen. Einer löst sich aus der Gruppe und rempelt B. grundlos an. Dieser kann danach tagelang nicht arbeiten – seine Nerven an der Schulter und seine Lunge sind gequetscht.
Zugbegleiter Jacques F.* weist eine Gruppe Passagiere darauf hin, dass ihre Tickets nicht gültig sind. Die Männer werden aggressiv, filmen F. und beschimpfen ihn wüst. Der Zugbegleiter fühlt sich bedroht.
*Namen geändert
SBB braucht die nötigen Ressourcen
Vorfälle wie diese sind keine Ausnahmen – im Gegenteil: Aggressionen und Tätlichkeiten gegen das Personal wie auch Fahrgäste im öffentlichen Verkehr sind auf hohem Niveau.
«Pro Jahr sind es tausende Fälle»
, sagt Bruno Zeller, Branchenleiter öffentlicher Verkehr beim Personalverband transfair.
Nationalrätin und transfair Präsidentin Greta Gysin hat deshalb im Sommer eine Interpellation an den Bundesrat geschickt. Das klare Ziel: Die SBB-Transportpolizei (TPO) soll präsenter werden, insbesondere auf Strecken, wo es häufig zu Vorfällen kommt.
«Dafür braucht es die nötigen personellen Ressourcen»
, sagt Bruno Zeller.
Doch neues Personal ist angesichts des Fachkräftemangels schwierig zu finden.
«Die SBB muss also auch in Massnahmen investieren, um den Beruf als Transportpolizistin oder Transportpolizist attraktiver zu machen.»
Sprich: die Löhne, Arbeits- oder die Erholungszeiten verbessern.
Bund lässt SBB allein
Mit alledem lässt der Bundesrat – notabene Eigner der SBB – diese nun allein. In seiner Antwort auf Greta Gysins Interpellation verweist er auf die Verantwortung des Unternehmens selbst. Gleichzeitig fordert er im Rahmen seiner strategischen Ziele für 2024 bis 2027, dass die SBB das Sicherheitsniveau für Personal und Fahrgäste aufrechterhält.
transfair findet: Da macht es sich der Bundesrat ganz schön leicht.
«Er hat es nicht einmal für nötig gehalten, sich ein genaues Bild über die Lage zu verschaffen»
, kritisiert Bruno Zeller.
«Geschweige denn hat er konkrete Vorschläge unterbreitet, wie die SBB den Ausbau der TPO finanzieren könnte.»
Übergriffe konsequent und lückenlos verfolgen
Und noch eine weitere Antwort bleibt der Bundesrat schuldig: Wie ernsthaft verfolgen die Polizeicorps und kantonalen Strafbehörden Täter und Täterinnen?
Zeller:
«transfair stellt hier leider immer wieder Lücken fest.»
Der Angreifer von Lokführer Simon B. kam zum Beispiel ungestraft davon – die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein.
transfair bleibt am Thema dran. Der Personalverband setzt sich mit allen Kräften dafür ein, dass die Opfer von Übergriffen Gerechtigkeit erfahren und bei der Anzeige und im Strafprozess eng durch ihre Arbeitgebenden begleitet werden. Zudem kämpft transfair dafür, dass die TPO, aber auch andere Sicherheitsdienste konzessionierter Transportunternehmen gestärkt bzw. aufgestockt werden. Zum Schutz von Personal und Fahrgästen.
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