Nach der Entgleisung eines Güterzugs im Gotthard-Basistunnel im August 2023 hat der Nationalrat einen Vorstoss zur Revision der Risikohaftung von Eigentümern von Güterwagen knapp abgelehnt. Wagenhalter sollen bei Unfällen demnach weiterhin nicht in gleichem Masse haftbar gemacht werden können wie die Bahnunternehmen. Damit ist das Geschäft vom Tisch.
Der Nationalrat lehnte die Motion seiner Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF-N) am Dienstag mit 91 Nein- bei 89 Ja-Stimmen und mit vier Enthaltungen ab.
Die Motion hatte verlangt, dass durch eine Überarbeitung der Haftpflicht-Vorgaben für Wagenhalter Anreize für diese geschaffen werden, die Sicherheitsmassnahmen zu erhöhen. Wagenhalter sollten sich zudem versichern müssen – für eine festgelegte Deckungssumme.
Am 10. August 2023 war ein Güterzug auf der Fahrt von Chiasso TI nach Basel im Gotthard-Basistunnel entgleist. Gemäss einem Zwischenbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) war ein durch Ermüdungsrisse im Metall verursachter Radscheibenbruch für den Unfall verantwortlich.
Laut der KVF-N wird SBB Cargo «als ausführender Beförderer mit grösster Wahrscheinlichkeit für den Unfall haftbar sein». Nach geltendem Recht hafte der Wagenhalter bei einem Unfall nur, wenn das Bahnunternehmen nachweisen könne, dass diesen ein Verschulden treffe. Ein Mangel am Wagen genüge dafür nicht.
Bei der gegenwärtigen Rechtspraxis handle es sich um «ein Missverhältnis der Haftverteilung», sagte Kommissionssprecher Matthias Jauslin (FDP/AG) am Dienstag im Rat. Auch der Bundesrat sprach sich für klarere Haftungsregeln im Gütertransport aus.
Am Ende setzte sich dann aber eine bürgerliche Minderheit der Kommission erfolgreich für eine Beibehaltung der gegenwärtigen Rechtspraxis ein. Eine Anpassung der Gesetzgebung würde den Einzelwagenverlad durch steigende Versicherungskosten «massiv verteuern», argumentierte Benjamin Giezendanner (SVP/AG) im Rat.
Stellungnahme VAP – Verband der verladenden Wirtschaft: |
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Die Ablehnung der Motion 24.3823 mit 91:89 Stimmen bei 4 Enthaltungen ist ein Entscheid der Vernunft. Berechtigte Emotionen im Zusammenhang mit dem Unfall vom 10. August 2023 im Gotthardbasistunnel wurden von der Mehrheit der Nationalrätinnen und Nationalräte bei Seite geschoben zugunsten einer erfolgreichen Klima- und Verlagerungspolitik. Der Schienengüterverkehr basiert auf der Partnerschaft zwischen privaten Wagenhaltern und Eisenbahnunternehmen. Der VAP vertritt 52 000 Güterwagen von knapp 70 Wagenhaltern in der Schweiz und im Ausland. Diese Partnerschaft von Haltern und Eisenbahnunternehmen findet Niederschlag im Allgemeinen Wagenverwendungsvertrag, dem über 800 Wagenhalter und Eisenbahnen mit total knapp 570 000 Güterwagen angehören. «Generalabonnement» im Schienengüterverkehr in Gefahr Der heutige Schienengüterverkehr funktioniert dank des europäischen Branchenvertrags (Allgemeiner Vertrag für die Verwendung von Güterwagen, AVV) ähnlich wie das Generalabonnement beim Personenverkehr. Jeder Güterwagen kann dank klaren vertraglichen Rechtsverhältnissen von allen Akteuren weit über die Schweizer Grenzen hinaus frei und flexibel genutzt werden. Das macht das bestens funktionierende System Schienengüterverkehr marktfähig, effizient und dadurch auch maximal kostensparend. Dieses effiziente System wäre mit der Motion 24.3823 «Revision der Risikohaftung von Eigentümern von Güterwaggons» in Frage gestellt worden. Die Motion: – hätte eine systemwidrige Gefährdungshaftung verlangt; – wäre ein Schweizer Alleingang und erhöhte die Sicherheit nicht; – wäre unnötig, da im heutigen System die Wagenhalter bereits haften; – führte zu Effizienzverlusten und Mehrkosten; – gefährdete die schweizerische Verlagerungspolitik auf die Schiene; – schadete dem europäischen Güterverkehr als Ganzes. – Argumentarium |
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