Corona prägt SBB Geschäftsjahr 2020: Nachfrage eingebrochen, finanzieller Rückschlag, zufriedenere Kunden

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 15. März 2021 veröffentlicht.

0
Zwei FV-Dosto-Züge der SBB am 9. Dezember 2018, im planmässigen Einsatz, in der Halle des HB Zürich. / Quelle: Sandro Hartmeier
  • Folgen der Covid-19-Pandemie sind erheblich. Grosser Nachfragerückgang: in Zügen und Bahnhöfen ein Drittel weniger Kundinnen unterwegs.
  • SBB verzeichnete Verlust von 617 Millionen Franken, verzinsliche Nettoverschuldung stieg um 1,5 Milliarden Franken.
  • Seit Frühling 2020 setzt die SBB Sparmassnahmen um: Einstellungsstopp in Verwaltung, Projekte priorisiert und gezielt Investitionen zurückgestellt.
  • Liquidität ist dank dem Bund jederzeit gesichert. Zudem wurde der ÖV von Bund und Kantonen finanziell unterstützt.
  • Sicherheit, Pünktlichkeit, Kundenzufriedenheit und Imagewerte sind 2020 gestiegen, Personalzufriedenheit und -motivation ebenfalls.
  • Mitarbeitende haben im Pandemiejahr einen grossen Effort erbracht.
  • 2021 fokussiert SBB auf Qualität, Fahrplanstabilität und Baustellenplanung und investiert mehr in Rollmaterial. Die finanzielle Lage bleibt angespannt.

Die SBB blickt auf ein äusserst herausforderndes Jahr zurück: Nach einem guten Start ins Jahr 2020 hat Covid-19 die SBB massiv getroffen: Pro Tag wurden im vergangenen Jahr durchschnittlich 843 000 Reisende befördert, über ein Drittel weniger als im Vorjahr (1,32 Millionen Reisende). Die Personenkilometer sanken um 40,6 Prozent; im Fernverkehr sind sie um 43,7 Prozent gesunken und im Regionalverkehr um 32,4 Prozent. Der starke Einbruch erklärt sich durch die behördlich festgelegten Massnahmen wegen Covid-19: Viele Pendlerinnen und Pendler arbeiteten im Homeoffice, aber auch Freizeitreisende aus der Schweiz und aus dem Ausland waren aufgrund der Einschränkungen deutlich weniger unterwegs.

Im internationalen Personenverkehr ist die Nachfrage noch stärker gesunken: bei den Personenkilometern um 51,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, dies aufgrund von Reisebeschränkungen und Angebotsreduktionen.

Weniger Reisende und die angeordnete Schliessung von Geschäften führten zu einem starken Rückgang der Kundinnen und Kunden in den Bahnhöfen; insgesamt waren es ein Drittel weniger als im Vorjahr.

Im Jahr 2020 besassen gleich viele Reisende ein Halbtaxabonnement wie im Vorjahr, insgesamt 2,72 Millionen. Ein Generalabonnement hingegen besassen noch 439’000 Personen, 12,2 Prozent weniger als im Vorjahr (500’000). Deutlich mehr als die Hälfte der Billette wurde über die digitalen Verkaufskanäle sbb.ch und SBB Mobile bezogen (61,4 Prozent; Vorjahr: 52,8 Prozent). Die starke Zunahme aus den Vorjahren setzt sich damit im Pandemiejahr fort.

Wirtschaftliche Situation sehr angespannt

Der Nachfragerückgang hat einschneidende finanzielle Folgen: Im Vergleich zum Vorjahr resultierten tiefere Personenverkehrserträge (−28,9 Prozent), tiefere Drittumsätze in den Bahnhöfen (−26,8 Prozent), tiefere Trassenerträge bei der Infrastruktur (−12,1 Prozent) und weniger Gütertransporte (−2,4 Prozent der Güterverkehrsleistung). Die SBB hat während des Lockdowns Mieten erlassen oder reduziert sowie zusammen mit der ÖV-Branche umfangreiche Kulanzmassnahmen für Abo-Kundinnen und -Kunden umgesetzt.

All dies schlägt sich im Konzernergebnis von -617 Millionen Franken nieder (Vorjahr: +463 Millionen Franken). Es ist der grösste Verlust seit der Ausgliederung der SBB vom Bund in eine Aktiengesellschaft. Trotz der finanziell sehr angespannten Situation will die SBB die Preise stabil halten und so die Attraktivität des ÖV sichern.

Die verzinsliche Nettoverschuldung ist um 1,5 Milliarden Franken gestiegen. Aufgrund des tiefen operativen Cashflows (EBITDA) und der erhöhten Verschuldung liegt der Schuldendeckungsgrad bei 21,6 und damit deutlich über der vom Bund geforderten Höchstgrenze von 6,5.

Sparmassnahmen und Unterstützung durch Bund und Kantone

Die SBB hat im Frühling 2020 mit Sparmassnahmen auf die Einnahmeausfälle reagiert, etwa mit einem Einstellungsstopp in der Verwaltung, dem Abbau von Gleitzeit- und Ferienguthaben und der Verschiebung respektive Streichung von Projekten und Investitionen. Diese Massnahmen leisteten einen Beitrag in dreistelliger Millionenhöhe. Der operative Bahnbetrieb und die Sicherheit sind durch die Sparmassnahmen nicht tangiert.

Zur Absicherung der Zahlungsfähigkeit hat der Bund die Kreditlimite um 550 Millionen Franken erhöht. Zudem haben Bund und Parlament im zweiten Halbjahr 2020 eine Unterstützung für den ÖV verabschiedet, um bei den Transportunternehmen die Covid-bedingten Einnahmeausfälle in den abgeltungsberechtigten Bereichen Infrastruktur und Regionalverkehr sowie beim Güterverkehr abzufedern. In den eigenwirtschaftlichen Bereichen Fernverkehr und Immobilien muss die SBB die Einnahmeausfälle selbst tragen.

Kundinnen und Kunden sind mit der Qualität der SBB zufrieden

Mit dem zwischenzeitlich reduzierten Angebot hat die SBB im vergangenen Jahr vier Fahrplanwechsel umgesetzt: ein Kraftakt der Mitarbeitenden. Die SBB hat unter schwierigen Bedingungen weiter intensiv an der Qualität ihrer Leistungen gearbeitet. Mit der Inbetriebnahme des Ceneri-Basistunnels wurde die «Neue Eisenbahn-Alpentransversale» (NEAT) vollendet. Ein historischer Moment für die Schweiz und für Europa.

Sicherheit, Pünktlichkeit, Kundenzufriedenheit und auch das Image (2020: 66,6 Punkte, 2019: 64,7 Punkte) haben sich verbessert. Die SBB verzeichnete im Jahr 2020 weniger Berufs-, Rangier- und Zugunfälle als im Vorjahr. Die Kundenpünktlichkeit lag bei 93,4 Prozent (Vorjahr: 90,6 Prozent) und die Zugpünktlichkeit bei 95,7 Prozent (Vorjahr: 94,2 Prozent). Auch die Sendungspünktlichkeit von Cargo hat sich im Vergleich zum Vorjahr verbessert (93,5 Prozent, Vorjahr: 91,9 Prozent). Positiv auf die Pünktlichkeit ausgewirkt haben sich neben der gesunkenen Nachfrage die verbesserte Baustellenplanung.

Mit 76,3 Punkten ist die Kundenzufriedenheit insgesamt höher als im Vorjahr (+0,5 Punkte). Verbessert hat sich die Kundenzufriedenheit im Personenverkehr (+1,5 Punkte) sowie jene in den Bahnhöfen (+1,0 Punkte). Gesunken ist die Zufriedenheit der Güterverkehrskunden (−3,4 Punkte).

Gestiegen sind im Vergleich zum Vorjahr die Personalzufriedenheit (2020: 70 Punkte, 2019: 66 Punkte) und auch die Personalmotivation (2020: 77 Punkte, 2019: 73 Punkte) der SBB Mitarbeitenden (Anzahl Vollzeitbeschäftigte 2020: 33 498, 2019: 32 535).

Der Fachkräftemangel hat sich im Jahr 2020 wegen der Pandemie verschärft. Aufgrund von fehlendem Lokpersonal fielen Zugverbindungen aus, wofür sich die SBB entschuldigt. Ab Mitte 2021 wird sich die Situation entspannen, die Ausbildungsklassen sind voll. Lokführerinnen und Lokführer werden künftig für mehr Strecken und Fahrzeugtypen geschult und flexibler einsetzbar sein.

SBB fokussiert weiter auf Qualität, finanzielle Lage bleibt sehr angespannt

2021 fokussiert die SBB weiter auf die Qualität für die Kundinnen und Kunden. Zentral bleiben Fahrplanstabilität und bessere Baustellenplanung. Die SBB investiert in das Kerngeschäft, insbesondere verstärkt in neues Rollmaterial.

Die finanzielle Lage der SBB bleibt auch in den nächsten Jahren sehr angespannt. Die SBB wird die Sparmassnahmen konsequent weiterführen und auf allen Ebenen das Kostenbewusstsein schärfen.

Nach der Krise wird die Nachfrage wieder steigen; die SBB bereitet sich darauf vor. Die Mobilität bleibt eine Grundvoraussetzung für das berufliche und gesellschaftliche Leben und die klimafreundliche Bahn ein gefragtes Verkehrsmittel. Die SBB wird ihren Umweltvorteil darum weiter stärken: Mit ihrem Ziel, bis 2030 klimaneutral zu sein, und mit der Verkehrsverlagerung von der Strasse auf die Schiene trägt sie massgeblich zum Erreichen der Klimaziele des Bundes bei.

Die Pandemie belastet alle Bereiche der SBB
Das Jahresergebnis im Personenverkehr beträgt −661 Millionen Franken (Vorjahr: 215 Millionen Franken). Sowohl der Regional- wie auch der Fernverkehr verzeichneten negative Ergebnisse (RV −26,1 Millionen Franken, FV −626,7 Millionen Franken). Beim Billettverkauf ist die Selbstbedienungsquote von 90,6 auf 93,4 Prozent gestiegen. Darin enthalten sind die digitalen Kanäle (sbb.ch und SBB Mobile), automatische Abo-Verlängerungen sowie Bezüge an Automaten und via Partnervertriebe.

Das Ergebnis der Division Immobilien beträgt vor den Ausgleichszahlungen an die Infrastruktur (150 Millionen Franken) und der Zahlung an die Pensionskasse (84 Millionen Franken) 244 Millionen Franken (Vorjahr 339 Millionen Franken). Der Mietertrag durch Dritte lag bei 541 Millionen Franken (Vorjahr: 552 Millionen Franken).

Das Ergebnis von SBB Cargo Schweiz beträgt −34,7 Millionen Franken (Vorjahr: 0 Millionen Franken). SBB Cargo International schloss mit 4,6 Millionen ab (Vorjahr: 5,5 Millionen Franken). Die Nettotonnenkilometer im Güterverkehr haben um 2,4 Prozent abgenommen (15’978 Millionen Nettotonnenkilometer, Vorjahr: 16’377 Millionen Ntkm). Die Entwicklung der beiden Gesellschaften waren gegenläufig: Während SBB Cargo Schweiz −11,9 Prozent Nettotonnenkilometer verzeichnete, konnte SBB Cargo International mit +1,6 Prozent leicht zulegen.

SBB Infrastruktur verzeichnet ein Jahresergebnis von −45,8 Millionen Franken (Vorjahr +22,5 Millionen Franken). Durch den Einbruch der Trassenerlöse sowie Produktivitätsverluste infolge Corona resultierte im Bereich Netz mit –63,6 Millionen Franken ein deutlich negatives Ergebnis (Vorjahr −24,7 Millionen Franken). Auch im Bereich Energie lag das Ergebnis mit 17,9 Millionen Franken tiefer als im Vorjahr (47,1 Millionen Franken), dieser Betrag fliesst in Reinvestitionen von Energieanlagen.
SBB Cargo Geschäftsjahr 2020 geprägt durch die Corona-Pandemie
Nach einem ausgeglichenen Ergebnis im Jahr 2019 war das Geschäftsjahr 2020 geprägt von den Auswirkungen der Pandemie. Die deutlich tieferen Verkehrsmengen und die damit einhergehenden Ertragsrückgänge konnten im Aufwand nur teilweise kompensiert werden. Es resultiert für das Geschäftsjahr 2020, trotz Corona-Hilfe des Bundes im Umfang von 19 Millionen Franken, ein deutlicher Verlust von 34,7 Millionen Franken.

Die Verkehrsleistung nahm gegenüber dem Vorjahr um 11,9 Prozent ab. Besonders starke Rückgänge waren in den Branchen Chemie (–26,7%), Siderurgie (–15,0%) und Mineralöl (–6,7%) sowie bei den Zügen mit DB Cargo im Transitverkehr (–19,1%) zu verzeichnen. Auch die anderen Branchen litten spürbar unter den Folgen der Pandemie, stabil entwickelte sich die Verkehrsleistung einzig im Detailhandel (+0,8%) und bei den Postdiensten (+0,2%).

Zwar konnten die Produktionskosten gesamthaft gegenüber dem Vorjahr um 5,1 Prozent gesenkt werden, der Rückgang bei den transportierten Wagen infolge der Pandemie war aber mit einem Rückgang von 9,3 Prozent beinahe doppelt so hoch. Zudem ist das starre, fahrplangebundene Wagenladungsverkehrsnetz nicht auf kurzfristige, extreme Mengenschwankungen ausgerichtet.

Flexibel auf Kundenbedürfnisse reagiert

Die Güterbahn hat auch im Lockdown die Landesversorgung aufrechterhalten und flexibel Mehrverkehre vor allem für den Detailhandel sowie für die Post gefahren. In den letzten Jahren hat SBB Cargo durch einfache Prozesse und Strukturen intensiv an Kostensenkungen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit gearbeitet. Die Krise hat SBB Cargo hierbei gebremst.

SBB Cargo will sich künftig noch stärker auf spezifische Kundenbedürfnisse ausrichten, um den unterschiedlichen Anforderungen und der Reaktionsgeschwindigkeit gerecht zu werden. Zudem arbeitet SBB Cargo daran, die Marktfähigkeit zu verbessern und die wirtschaftliche Leistung zu erhöhen.
Konzern Zahlen 2020_SBB CFF FFS_15 3 21
Quelle: SBB CFF FFS
SEV: Mitarbeitende leisten trotz Pandemie hervorragende Arbeit
Die SBB hat ihre Bilanz 2020 präsentiert. Für die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) gibt es eine Reihe von Anzeichen dafür, dass die SBB auf dem richtigen Weg ist: Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigen, ebenso die Arbeitsplätze in der Bahnproduktion. Für den SEV ist klar, dass dieser Trend bei der Beschäftigung fortgesetzt werden muss, wenn die SBB ihre Leistungen im Service public weiter verbessern will.

Der Lokführermangel entschärft sich allmählich, während andere Bereiche noch immer unter Personalmangel leiden. Der SBB fehlt es an qualifiziertem Personal, vor allem in den Bereichen Technik und Infrastruktur. Der SEV erwartet daher, dass das Unternehmen alle Hebel in Gang setzt, um dieses Problem zu lösen.
 
Vor dem unsicheren Hintergrund der aktuellen Pandemie sieht der SEV die Verlängerung des Gesamtarbeitsvertrages bis zum 1. Mai 2025 bei der SBB und bis Ende 2023 bei SBB Cargo als beruhigendes Signal für das Personal. Und letztlich auch für die Kundinnen und Kunden, deren Zufriedenheit leicht gestiegen ist. Der GAV bietet Stabilität und Sicherheit für die Mitarbeitenden und das Unternehmen, und damit auch für die Kundschaft.
 
Der SEV wird sich auch weiterhin politisch dafür einsetzen, dass die SBB und die gesamte Branche die notwendige finanzielle Unterstützung erhalten, um die durch die Pandemie verursachten Verluste zu decken.
Transfair: Jahresergebnis dkönnte dem Personal zum Verhängnis werden
Die SBB hat ihr Jahresergebnis für 2020 präsentiert. Trotz den Sparmassnahmen bei Projekten sowie beim Personal und trotz den Bundeshilfen aus dem Covid-Gesetz für den Regionalverkehr, für die Infrastruktur und den Güterverkehr, resultiert ein Konzernverlust von mehr als 600 Millionen Franken. Transfair hatte ein solch negatives Jahresergebnis bereits erwartet. Darum fordert Transfair, dass das Personal nicht den Kürzeren zieht und das negative Resultat anders als mit weiteren Sparmassnahmen beim Personal abgefedert werden muss.

Die Mindereinnahmen, insbesondere beim Fernverkehr und bei den Immobilien (Einbruch der Kundenfrequenzen), machen Transfair grosse Sorgen. Die SBB ist gezwungen, ihre Liquidität mit verzinslichen und rückzahlbaren Bundesdarlehen zu sichern.

Bruno Zeller, Branchenleiter öffentlicher Verkehr bei Transfair appelliert mit aller Deutlichkeit an den Bund: «Es darf nicht sein, dass die SBB aufgrund ihrer steigenden Verschuldung wichtige Personal- und Geschäftsentwicklungen nicht durchführen darf.»

Der Bund als Eigner muss die gute betriebliche Entwicklung und das Personal der SBB grosszügig unterstützen. Transfair fordert zudem weiterhin auf politischem Weg das Recht auf Kurzarbeitsentschädigung (KAE) für alle öffentlichen Verkehrsunternehmen, auch für die SBB. Die KAE hätte sicherlich auch der SBB zu einem willkommenen Liquiditätsbeitrag verholfen.
 
Transfair unterstreicht ebenfalls die grossen erbrachten Leistungen des SBB-Personals im vergangenen Jahr und begrüsst den Verzicht der Konzernleitungsmitglieder auf einen wesentlichen Teil ihres variablen Lohnes.

Links

Meinung

Eigene Meinung zum Thema?

Jetzt kommentieren

Keine Kommentare

Kommentar schreiben

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Die mobile Version verlassen