Die Jungfraubahn-Gruppe hat im Geschäftsjahr 2020 erstmals in der Geschichte des Unternehmens einen Verlust erlitten. Der Verlust in der Höhe von 9,7 Millionen Franken folgt auf den Rekordgewinn von 2019 von 53,3 Millionen Franken. Positiv zu werten ist, dass im von Covid-19 geprägten 2020 trotz allem ein positives EBITDA von 22,3 Millionen Franken erzielt werden konnte. Der Verwaltungsrat schlägt aufgrund der aktuellen Situation vor, auf eine Dividende zu verzichten. Die Folgen der Corona-Krise sind bis zum jetzigen Zeitpunkt aus-geprägter und länger anhaltend als bisher angenommen und bleiben weiterhin schwer abschätzbar. Es muss davon ausgegangen werden, dass das Ergebnis 2021 nochmals stark durch die Corona-Krise beeinflusst sein wird.
Die Unternehmung ist bezüglich Liquidität und Eigenkapital solide aufgestellt. Mit einem positiven EBITDA von 22,3 Millionen Franken ist die betriebliche Liquidität sichergestellt. Es ist erfreulich, dass dies in einem äusserst herausfordernden Umfeld mit einer historisch einmaligen Pandemie gelang. Covid-19 hatte nicht nur einen fast dreimonatigen Lockdown bei den touristischen Bahnen zur Folge, auch das grösste Gästesegment aus Asien brach nach Ausbruch der Pandemie ab März 2020 komplett weg. Die Jungfraubahnen konnten das Ausnahmejahr mit der Vollendung des Generationenprojekts V-Bahn mit einem Höhepunkt abschliessen.
Insgesamt erwirtschaftete die Jungfraubahn-Gruppe einen Betriebsertrag von 125,7 Millionen Franken, was einem Rückgang gegenüber dem Rekordjahr 2019 von 97,6 Millionen Franken entspricht. Die wichtigste Ertragsquelle, der Verkehrsertrag, betrug 75,6 Millionen Franken und lag damit 86,2 Millionen Franken tiefer als im 2019. Besonders stark gelitten hat mit einem Rückgang von 65,6% der Verkehrsertrag aus dem bedeutendsten Segment Jungfraujoch-Top of Europe aufgrund des Einbruchs des internationalen Reisegeschäfts.
Um rund die Hälfte eingebrochen ist der Verkehrsertrag bei den Erlebnisbergen, wobei erfreulicherweise die Tochterunternehmen Harderbahn mit 1,0 Millionen Franken und die Firstbahn mit 2,0 Millionen Franken trotzdem einen Gewinn erzielen konnten. Die Verkehrseinnahmen aus den Wintersportpässen gingen lediglich um 5,2% zurück.
Die Jungfraubahn-Gruppe leitete bereits sehr früh Sparmassnahmen ein. Die Betriebskosten und Investitionen wurden laufend überprüft und reduziert. Dadurch und dank der Nutzung des Instruments der Kurzarbeit konnte der Betriebsaufwand um 14,1% auf 103,4 Millionen Franken reduziert werden. Dies obschon im Berichtsjahr mit der Übernahme der Gastronomiebetriebe auf dem Jungfraujoch und der Betriebsführung der Gondelbahn Grindelwald-Männlichen neue, zusätzliche Geschäftstätigkeiten wahrgenommen wurden.
Die Abschreibungen beliefen sich auf 33,5 Millionen Franken. Entsprechend betrug das operative Ergebnis EBIT -11,2 Millionen Franken und der Jahresverlust -9,7 Millionen Franken.
Die Konzernbilanz per 31. Dezember 2020 weist ein Eigenkapital von 597,0 Millionen Franken aus. Dies entspricht einer sehr soliden Eigenkapitalquote von 72,9%. Im Fremdkapital von 221,7 Millionen Franken sind Finanzverbindlichkeiten von 109,3 Millionen enthalten. Davon sind lediglich 45,0 Millionen Franken verzinsliche Bankverbindlichkeiten. Die übrigen 64,3 Millionen sind nicht verzinsliche, grösstenteils bedingt rückzahlbare Darlehen der öffentlichen Hand zur Finanzierung von Bahninfrastrukturen.
Jungfraujoch – Top of Europe
Im ersten Jahr der Pandemie blieb das Jungfraujoch – Top of Europe das bedeutendste Segment der Jungfraubahn-Gruppe, obschon die negativen Auswirkungen von Covid-19 in diesem Segment am gravierendsten waren. Der Nettoumsatz ging um 80,6 Millionen Franken, beziehungsweise um 53,8% auf 69,2 Millionen Franken zurück. Nach Rekordfrequenzen im Januar schwächte sich die Nachfrage bereits im Februar ab. Nach der behördlich verordneten Schliessung vom 14. März bis 5. Juni 2020 war die Gästestruktur bis Ende Jahr nicht mehr vergleichbar mit der Zeit vor dem Ausbruch von Covid-19. So reduzierte sich die Zahl der Jungfraujoch-Gäste um 65,6% auf 362‘800. Erfreulich war, dass alleine im Juli und August 2020 rund 153’000 Gäste das Jungfraujoch – Top of Europe besuchten, wovon rund 145’000 Schweizerinnen und Schweizer waren.
Erlebnisberge
Bei den Erlebnisbergen sank der Nettoumsatz 2020 um 48,3% auf 16,8 Millionen Franken und das EBITDA um 69,0% auf 5,8 Millionen Franken. Alle Bahnen – die Harderbahn, die Firstbahn und die Bergbahn Lauterbrunnen-Mürren – verzeichneten erhebliche Umsatzrückgänge. Die während des Lockdowns erlittenen Einbussen konnten trotz ansprechender Frequenzen durch zahlreiche Schweizer Gäste in den Sommermonaten nicht wettgemacht werden.
Wintersport
Am geringsten waren die Auswirkungen von Covid-19 im Segment Wintersport. Die Zahl der Skier Visits in der gesamten Jungfrau Ski Region (Kooperationsprodukt, an dem die Jungfraubahn-Gruppe mit über 60% beteiligt ist) sank im Vergleich zu 2019 infolge des abrupten Saisonendes am 14. März 2020 zwar um 16,0% auf 898‘400 Skier Visits. Der anteilige Verkehrsertrag der Unternehmensgruppe nahm um lediglich 5,2% auf 22,2 Millionen Franken ab. Bei einem Nettoumsatz von 29,7 Millionen Franken erzielte das Segment Wintersport ein EBITDA von 3,7 Millionen Franken, was einer Steigerung von 2,0 Millionen Franken im Vergleich mit dem Vorjahr entspricht.
Segmentinformationen | |||
Tausend CHF | 2020 | 2019 | Veränderung in % |
Segmentumsätze | |||
Nettoumsatz Jungfraujoch | 69’214 | 149’839 | -53,8% |
Nettoumsatz Erlebnisberge | 16’849 | 32’620 | -48,3% |
Nettoumsatz Wintersport | 29’675 | 30’779 | -3,6% |
Nettoumsatz übrige Segmente* | 42’239 | 49’125 | -14,0% |
Elimination konzerninterne Umsätze | -32’326 | -39’053 | -17,2% |
Total Betriebsertrag | 125’651 | 223’310 | -43,7% |
Investitionen
Insgesamt betrug das Investitionsvolumen der Jungfraubahn-Gruppe im vergangenen Jahr 123,7 Millionen Franken. Davon entfielen 91,3 Millionen Franken auf das V-Bahn-Projekt. Mit der Eröffnung des Terminals, des neuen Parkhauses und der modernen 3S-Bahn Eiger Express am 5. Dezember 2020 konnte das Generationenprojekt erfolgreich dem Betrieb übergeben werden.
Insgesamt investierte das Unternehmen bisher rund 340 Millionen Franken in das V-Bahn-Projekt, welches neben den Kernelementen die bereits früher abgeschlossenen Rollmaterialerneuerungen bei der Wengernalp- und der Jungfraubahn umfasst. Die Investitionen sind noch nicht ganz abgeschlossen. Insgesamt wird eine Kostenüberschreitung von ca. 10% (namentlich Projektanpassungen und schwierige Baubedingungen) gegenüber der ursprünglichen Planung erwartet.
Das zweite Grossprojekt in der Jungfraubahn-Gruppe ist das Erneuerungsprogramm der Bergbahn Lauterbrunnen-Mürren, welches als Teil des abgeltungsberechtigten Verkehrs durch den Kanton Bern finanziert wird. Für die gesamte Erneuerung der Mürrenbahn sind Kosten von gut 50 Millionen Franken veranschlagt. Im 2020 wurden 9,9 Millionen Franken in den Ausbau der Station und Werkstätte Grütschalp sowie in eine Modernisierung der Station Winteregg investiert. Ende Jahr konnten zudem drei Niederflurtriebzüge bestellt werden, welche 2023 in Betrieb genommen werden.
Auf dem Jungfraujoch wird die Bahnhofshalle bis ins Frühjahr 2021 hinein erneuert. Im Berichtsjahr wurden hierfür 7,1 Millionen Franken investiert. Bei der Harderbahn werden der Antrieb und die Steuerung der Standseilbahn erneuert, was 2020 Investitionen von 1,6 Millionen Franken auslöste.
Infolge des hohen Investitionsvolumens betrug der Free Cashflow -93,3 Millionen Franken. Trotz der Covid-19-Krise konnte das Investitionsprogramm grösstenteils aus eigenen Mitteln finanziert werden.
Kennzahlen der Konzernrechnung | |||
Tausend CHF | 2020 | 2019 | Veränderung in % |
Betriebsertrag | 125’651 | 223’310 | -43,7% |
Verkehrsertrag | 75’643 | 161’807 | -53,3% |
EBIT | -11’188 | 67’504 | -116,6% |
Jahresergebnis | -9’681 | 53’344 | -118,1% |
Free Cashflow | -93’342 | -21’511 | -333,9% |
Personalbestand (Vollzeitstellen) | 665 | 612 | 8,7% |
2020 | 2019 | Veränderung in % | |
Dividende | 0.0 (Antrag) | 0.0 | 0,0% |
Ausblick
Die Jungfraubahn-Gruppe muss sich weiterhin mit der Corona-Krise auseinandersetzen. Diese dauert bereits über ein Jahr an und deren Folgen sind immer noch schwer abschätz- und vorhersehbar. Die Auswirkungen sind ausgeprägter und dauern länger als bisher angenommen. Die grössten Risiken bleiben dabei die Reisebeschränkungen, die fehlende Planungssicherheit sowie die weltweit unterschiedlichen Impfstrategien.
Dennoch kann die Jungfraubahn-Gruppe dank einer guten Infrastruktur, einer starken Verankerung in den internationalen Märkten, einer soliden Finanzierung und ihrer Innovationskraft zuversichtlich in die Zukunft schauen. Gerade das Ende 2020 abgeschlossene Generationenprojekt V-Bahn macht die Jungfraubahn-Gruppe an vorderster Front konkurrenzfähig und bildet damit eine wichtige Grundlage, um rasch von den sich nach der Krise bietenden Wachstumsmöglichkeiten zu profitieren. Die V-Bahn stärkt dabei die Wettbewerbsfähigkeit der ganzen Jungfrau Region nachhaltig.
Den Gästen wird mehr Raum, eine angenehme Besucherführung und insgesamt ein qualitativ besseres Reiseerlebnis geboten. Aus der aktiven und digital unterstützten Gästelenkung resultiert ein Zeit- und Komfortgewinn. Die Bahnen können Massenansammlungen und Staus aktiv abbauen und bestehende Kapazitäten bestmöglich nutzen. Dank des neuen Anschlusses ans Eisenbahnnetz wird die Nutzung des öffentlichen Verkehrs gefördert. Damit leistet die Jungfraubahn-Gruppe einen wichtigen Beitrag dazu, die Gäste, die aufgrund von Covid-19 wieder vermehrt auf den Individualverkehr umgestiegen sind, auf die Schiene zurückzuholen.
Die Jungfraubahnen haben in ihrer über 100-jährigen Geschichte verschiedene globale Krisen erlebt. Mit der Überarbeitung der Kostenstrukturen und der höheren Flexibilität sowie dem guten Start der V-Bahn wird das Unternehmen gestärkt aus der Krise hervorgehen. Es muss davon ausgegangen werden, dass das Ergebnis 2021 nochmals stark durch die Corona-Krise beeinflusst sein wird. Zentrale Zielsetzung der Jungfraubahn-Gruppe bleibt es, ein positives EBITDA zu erzielen.
Geschäftsbericht und Anträge an GV
Die Generalversammlung der Jungfraubahn Holding AG wurde am 17. Mai 2021 in Interlaken durchgeführt. Sie wurde gänzlich unter Ausschluss der physischen Teilnahme der Aktionärinnen und Aktionäre abgehalten. Mittels persönlicher Einladung und statutengemässer Publikation wurden die Aktionärinnen und Aktionäre über die Form der Generalversammlung und das Vorgehen zur Stimmabgabe informiert. Der Verwaltungsrat schlug aufgrund der aktuellen Situation vor, auf eine Dividende zu verzichten.
GV der Jungfraubahn Holding AG ohne physische Präsenz der Aktionärinnen und Aktionäre abgehalten |
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Beschlüsse der Generalversammlung der Jungfraubahn Holding AG: Traktandum 1 – Geschäftsbericht Lagebericht und Jahresrechnung 2020 sowie Konzernrechnung 2020 werden genehmigt. Traktandum 2 – Verwendung des Bilanzgewinns und Dividendenbeschluss Der Verzicht auf Ausschüttung einer Dividende und der Vortrag des Bilanzgewinns von CHF 101’294’033 auf neue Rechnung werden genehmigt. Traktandum 3 – Entlastung der Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung Dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung wird Entlastung erteilt. Traktandum 4 – Wahlen Verwaltungsrat (Präsident / Mitglieder) a) Präsident Prof. Dr. Thomas Bieger (bisher) wird als Präsident des Verwaltungsrats für eine Amtsdauer bis zur nächsten ordentlichen Generalversammlung wiedergewählt. b) Mitglieder Peter Baumann, Nils Graf, Dr. iur. Catrina Luchsinger Gähwiler, Heinz Karrer und Hanspeter Rüfenacht werden einzeln für eine Amtsdauer bis zur nächsten ordentlichen Generalversammlung als Mitglieder des Verwaltungsrats gewählt. Traktandum 5 – Wahlen Vergütungsausschuss Peter Baumann, Prof. Dr. Thomas Bieger und Hanspeter Rüfenacht werden einzeln für eine Amtsdauer bis zur nächsten ordentlichen Generalversammlung in den Vergütungsausschuss gewählt. Traktandum 6 – Genehmigung der Gesamtsumme der künftigen Vergütungen a) Verwaltungsrat Für die Entschädigung des Verwaltungsrats bis zur ordentlichen Generalversammlung 2022 wird ein Betrag (total inkl. Arbeitgeberbeiträgen für Sozialversicherungen) von maximal CHF 720’000 bewilligt. b) Geschäftsleitung Für die Entschädigung der Geschäftsleitung für das Geschäftsjahr 2022 wird ein Betrag (total inkl. Arbeitgeberbeiträgen für Sozialversicherungen) von maximal CHF 3’100’000 bewilligt. Traktandum 7 – Wahl unabhängiger Stimmrechtsvertreter Notar Dr. iur. Melchior Glatthard wird einzeln als unabhängiger Stimmrechtsvertreter für die ordentliche Generalversammlung 2022 und für allenfalls in der Zeit bis dahin stattfindende ausserordentliche Generalversammlungen gewählt. Rechtsanwalt Niklaus Glatthard wird einzeln als Stellvertreter des unabhängigen Stimmrechtsvertreters gewählt, falls Notar Dr. iur. Melchior Glatthard für die Vorbereitung und Teilnahme ausfällt, für die ordentliche Generalversammlung 2022 und für allenfalls in der Zeit bis dahin stattfindende ausserordentliche Generalversammlungen. Traktandum 8 – Wahl Revisionsstelle Wahl der BDO AG, Bern, als Revisionsstelle für ein Jahr. Abgestimmt haben insgesamt 4906 Aktionärinnen und Aktionäre. Es waren 73,0% des stimmberechtigten Aktienkapitals vertreten. Namens des Verwaltungsrats dankt der Präsident für das Interesse an der Jungfraubahn-Gruppe. |
Der Geschäftsbericht der Jungfraubahn Holding AG wurde für das Berichtsjahr 2020 als Online-Ausgabe erstellt.
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