Die Volksabstimmung vom 27. September 2020 über einen Tunnelprojektierungskredit ist ersatzlos abgesagt. Grund dafür ist das neu erarbeitete Fahrplankonzept 2035 der Appenzeller Bahnen. Die damit verbundenen Abklärungen ergaben, dass eine Tunnellösung aus Fahrplansicht kein praktikabler Lösungsansatz ist, wie AB-Direktor Thomas Baumgartner an der Medienkonferenz vom 12. August 2020 betonte.
In Teufen kann nicht wie geplant am 27. September 2020 über einen Tunnelkredit abgestimmt werden. Dies weil der zur Diskussion stehende Einspurtunnel den aktuellen Kenntnissen zur Folge nicht praktikabel ist. Ein Tunnel würde es nicht erlauben, dass die Fernverkehrsanschlüsse in St.Gallen optimal gewährleistet sind. Es müsste immer ein Zug auf den Gegenzug warten, bis der Tunnel wieder frei ist. Dadurch ginge jene Zeit verloren, welche für das Umsteigen am Bahnhof St.Gallen gemäss der neuen Planung der SBB nötig ist.
Dölf Biasotto, Ausserrhoder Regierungsrat sowie AB-Direktor Thomas Baumgartner schilderten an der Medienorientierung vom 12. August 2020, wie es zu diesem Sachverhalt kam: Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat am 30. März 2020 das Begleitdokument zum Angebotskonzept 2035 erlassen. Darin legt das BAV die Ankunfts- und Abfahrtszeiten des Fernverkehrs und der wichtigsten S-Bahnen verbindlich fest. Das betrifft auch den Knoten St.Gallen und die zur Erbringung dieses Angebotes notwendigen Infrastrukturen. Das Angebotskonzept bildet den Stand des Bundesbeschlusses zum Ausbauschritt 2035 ab und löst das bisherige Angebotskonzept 2025 als Planungsgrundlage ab.
In der Folge beauftragten die Kantone St.Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden die Appenzeller Bahnen, ihr Angebot am neuen und nun gefestigten Angebotskonzept 2035 der SBB auszurichten. Die AB haben mit Unterstützung eines externen Ingenieurbüros ein Fahrplan-Entwicklungskonzept erarbeitet und dieses den besagten Kantonen Ende Juni 2020 eingereicht. Das Konzept ist derzeit in der Beratung in den drei Kantonen. Entscheide über die Varianten und Entwicklungsschritte sind noch nicht gefallen.
Thomas Baumgartner zeichnete die wichtigsten Ziele der Angebotsplanung 2035 auf:
- Erhöhung der Fahrplanstabilität insbesondere im Stadtbereich, per Dezember 2020
- Optimierungen von Anschlüssen
- Herstellung von Reiseverbindungen, die in beide Fahrtrichtungen identisch sind
- Verdichtung des Angebots an Schnellzügen und somit Halt mit Viertelstundentakt an allen Haltestellen [heute haben einige Haltestellen Taktlücken].
- Reisezeitverkürzungen zwischen Appenzell und St.Gallen
In den nächsten 15 Jahren sind zwei Zeiträume zu beachten, in denen sich im Bahnhof St.Gallen das übergeordnete Fahrplankonzept der Intercityzüge wesentlich ändert:
- Dezember 2020: IC nach Zürich zur Minute 58 statt zur Minute 25 und (zeitweise 28) [heute 25 und zeitweise 55]
- Dezember 2034: IC nach Zürich zur Minute 01 und zur Minute 33
Diese Anschlusssicherung ist aufgrund der aktuell bekannten Grundlagen jedoch halbstündlich nur möglich, wenn sich die Züge nicht mehr im Bahnhof Teufen, sondern zwischen dem Bahnhof Teufen und Stofel kreuzen. Eine einspurige Lösung zwischen Bahnhof Teufen und Stofel verhindert den Anschluss an den schnellen IC nach Zürich und vor allem umgekehrt. Damit können die AB Begehren aus der Bevölkerung und von der Politik nur mit der Doppelspur erfüllen.
Nur Doppelspur ist zukunftsfähig
Das kantonale Bau- und Volkswirtschaftsdepartement möchte als Hauptbesteller der Regionalverkehrsleistungen der AB die Entwicklungsschritte, welche zum Fahrplanangebot 2035 führen und Infrastrukturen voraussetzen, in einer Absichtserklärung festhalten. Dölf Biasotto erwähnte, dass dazu noch Zusatzabklärungen zu treffen seien. Zudem ist verbindlich zu verifizieren, dass die Angebotsannahmen auch zutreffen. Mit einer Zusatzstudie soll dies erzielt werden. Diese soll den Nachbarkantonen und dem Bund sowie der Gemeinde Teufen – nach Vorliegen aller Abklärungen – unterbreitet werden. Anschliessend beauftragen die Besteller die AB mit den weiteren Schritten. Ein Plangenehmigungsverfahren für eine einspurige Streckenführung dürfen die AB aus dem aktuellen Kenntnisstand nicht einleiten. Anhand aktueller Fakten und Studien, sei nur die Doppelspur zukunftsfähig. Aus diesem Grund haben die AB und das Departement Bau und Volkswirtschaft vom Gemeinderat Teufen verlangt, von der Durchführung einer Volksabstimmung über einen Projektierungskredit für eine Tunnellösung abzusehen.
Zusatzabklärungen sollten bis Ende 2020 getroffen sein
Innerhalb besagter Zusatzstudie gilt es insbesondere die Angebotsvarianten zu referenzieren und die notwendigen Infrastrukturen auf der ganzen Strecke Trogen-St.Gallen-Appenzell zu bestimmen. Die Zusatzabklärungen sollen bis Ende 2020 abgeschlossen werden. Anschliessend können die weiteren Schritte zwischen Bund, Kantonen und der Gemeinde Teufen beschlossen werden.
Nun gilt Abstimmungsresultat vom 21. Mai 2017
Gemeindepräsident Reto Altherr erwähnte, dass der gesamte Gemeinderat schweren Herzens die Tatsache zur Kenntnis nehmen musste, dass die AB als Bauherrin aus den vorliegenden Gründen, neu nur noch eine Doppelspurvariante dem BAV einreichen kann. Altherr betonte weiter, dass der Gemeinderat alles versucht habe, die festgefahrene Situation zu lösen und dass das Gremium den Teufener Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern gerne den Projektierungskredit unterbreitet hätte. Schliesslich hätte das entsprechende Abstimmungsedikt just am 12. August 2020 in Druck gehen sollen.
Vorausgesetzt, die Verifikation kommt nicht zu völlig neuen Schlüssen, gilt nun die unveränderte Ausgangslage der letzten Abstimmung (Kurztunnel Schützengarten-Bahnhof Teufen). In jenem Edikt ist klar festgehalten, dass bei einer Ablehnung der Kurztunnel-Initiative die Doppelspurinitiative vom Stofel bis zum Dorfzentrum weiterbearbeitet wird. Auf eine entsprechende Frage hin erwähnte Thomas Baumgartner, dass momentan keine Machbarkeitsstudie für eine allfällige Doppelspur-Tunnelvariante vorliege. Eine solche Variante wäre vermutlich insgesamt und insbesondere beim Nadelöhr Stofel – wenn überhaupt – nur unter immensen baulichen, zeitlichen und finanziellen Aufwendungen möglich.
Stellungnahme IG Tüüfner Engpass: Teufen muss sich zur Doppelspur äussern können |
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Es klingt wie ein Streich aus den Erzählungen der Schildbürger: Wenige Wochen vor dem Urnengang wurde die Abstimmung über den Projektierungskredit für einen Bahntunnel in Teufen kurzerhand abgesagt. |
Der Gemeinderat Teufen hatte im Frühjahr bereits die 799 beglaubigten Unterschriften eingereichte Initiative, die eine Abstimmung über die Doppelspur der Appenzeller Bahnen im Dorfkern verlangte, mit fadenscheinigen Gründen für ungültig erklärt. Nun hebelt der Gemeinderat mit seinem Präsidenten an der Spitze ein zweites Mal die Demokratie aus und entmündigt die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in einer Frage, die für die Zukunft Teufens existenziell ist. Damit stösst der Gemeinderat sogar erklärte Befürworter der Doppelspur vor den Kopf, die eine politische Legitimierung ihrer Lösung bevorzugt hätten. |
Die IG Tüüfner Engpass ist verärgert über diesen erneuten Affront und auch enttäuscht, wie duckmäuserisch der Gemeinderat die Absage begründet. Tatsächlich verlangten der Kanton Appenzell Ausserrhoden und die Appenzeller Bahnen plötzlich ultimativ die Umsetzung der Doppelspur-Lösung, weil nur so die Anschlüsse an den Fernverkehr in St. Gallen sichergestellt werden könnten. Deshalb könne nun über die Tunnel-Variante gar nicht abgestimmt werden. |
Gemeinderat könnte sich wehren Der Gemeinderat hat sich weder bemüht, diese Begründung zu verifizieren – dafür hätte er mit einer blossen Verschiebung der Abstimmung Zeit gewinnen können –, noch ist er seiner Aufgabe nachgekommen, seinen Handlungsspielraum zugunsten der Teufner Bevölkerung auszuloten. Würde man das Eisenbahngesetz, das pauschal als Rechtfertigung für das Diktat von oben herangezogen wird, tatsächlich lesen, sähe man: Es gibt für Teufen durchaus Möglichkeiten, sich zu wehren. Explizit ist etwa erwähnt, dass eine betroffene Gemeinde mit einer Einsprache gegen ein Streckenführungsprojekt ihre Interessen wahren kann. Die Gemeinde kann auch eine Alternativlösung einbringen, müsste allenfalls dann aber die Kostendifferenz tragen. Der Gemeinderat Teufen macht das exakte Gegenteil: Er will um jeden Preis verhindern, dass sich der Volkswille manifestieren kann und der grosse Unmut über die geplante Verschandelung des Dorfkerns zu einem konkreten politischen Auftrag wird. Nachdem sich auch der Gewerbeverein für den Tunnel-Kredit ausgesprochen hat, glaubt der Gemeinderat wohl nicht mehr daran, dass er die Abstimmung noch hätte gewinnen können. Stattdessen versteckt sich der Gemeinderat als willfähriger Erfüllungsgehilfe hinter dem Regierungsrat und der Bahndirektion. |
Die IG Tüüfner Engpass erachtet es aber weiterhin als ihre Aufgabe, für die Interessen eines lebenswerten Dorfes einzustehen. Die gewaltige Unterstützung der Initiative für eine Abstimmung über eine Doppelspur ist weiterhin als Auftrag zu verstehen. Der Rekurs gegen die Ungültigkeitserklärung dieser Initiative ist seit Monaten beim Regierungsrat hängig. Sollte die Regierung (die in dieser Frage erklärtermassen Partei zugunsten einer Doppelspur ist) den Rekurs abweisen, wird die IG den Gang ans Obergericht antreten. Es ist nach wie vor ein prioritäres Ziel der IG Tüüfner Engpass, dass sich die Bevölkerung zu der Verschandelung des Dorfkerns äussern kann. |
IG will Herausgabe des Fahrplankonzepts Die jetzige Absage der Abstimmung über den Projektierungskredit für einen Tunnel von Bahnhof Teufen bis Stofel wird mit der Fahrplanstabilität und mit halbstündlichen Anschlüssen an den Fernverkehr ab dem Jahr 2035 begründet. Das zugrundeliegende Fahrplankonzept ist der Öffentlichkeit allerdings nicht zugänglich. Mehr noch: Gemäss dem Direktor der Appenzeller Bahnen muss dieses Konzept erst noch mit Zusatzabklärungen und einer zusätzlichen Studie überprüft werden. Die Erfahrungen mit der Durchmesserlinie, die bessere Anschlüsse bringen sollte, die es nun nicht gibt, lassen grüssen! |
Die Aussagekraft des jetzigen Fahrplankonzepts ist also mit Vorsicht zu geniessen – zur Entmündigung eines ganzen Dorfes reicht es aber offenbar schon. Die IG Tüüfner Engpass verlangt die Herausgabe dieses Konzepts, damit die Sachverhalte mit einem unabhängigen Verkehrsingenieur seriös geprüft werden können. Diese Einsicht muss gestützt auf das Gesetz über Information und Akteneinsicht des Kantons gewährt werden. In einem vergleichbaren Fall hat das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich 2018 entschieden, dass dem Quartierverein Wipkingen der Netzplan der Zürcher S-Bahn ausgehändigt werden muss. SBB und Bundesamt für Verkehr hatten dies zuvor verweigert. |
Zu prüfen ist insbesondere, ob tatsächlich ein signifikanter Zeitverlust entsteht, wenn die Züge der AB statt zusammen mit Autos, Lastwagen, Velos und Fussgängern durch das Dorfzentrum zuckeln im Wechselverkehr den kurzen einspurigen Bahntunnel befahren. |
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