Stadler präsentiert seine Jahresergebnisse

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 26. Juli 2020 veröffentlicht.

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Präsentationsfahrt des neuen FLIRT Akku von Stadler, am 25. Oktober 2018 bei Berlin. / Quelle: Stadler

Stadler hat 2019 so viele Züge verkauft wie noch nie. Der Auftragseingang für das Jahr 2019 beläuft sich auf 5.1 Milliarden Schweizer Franken und liegt über 700 Millionen Franken über dem Vorjahr. Davon sind über 833 Millionen Schweizer Franken im Berichtssegment Service & Components angefallen. Der Auftragsbestand wächst damit auf ebenfalls rekordhohe 15 Milliarden Schweizer Franken. Stadler hat in den vergangenen Jahren in neue Technologien investiert und konnte gleich für mehrere Innovationen viel früher als erwartet Kunden gewinnen. Dazu zählen Digitalisierungsprojekte, neue Antriebstechnologien mit Akku und Wasserstoff sowie ein komplett neu entwickeltes Strassenbahnmodell. Investitionen in das Wachstum und Mehrkosten in Projekten (insbesondere Greater Anglia) haben Ebit und Ebit-Marge belastet. Ebenso hatten Wechselkursveränderungen, insbesondere zwischen dem Schweizer Franken und der norwegischen sowie der schwedischen Krone einen negativen Einfluss auf das operative Ergebnis. Infolge des rekordhohen Bestellungseingangs wurde das Ergebnis auch durch höher als ursprünglich erwartete Verkaufsaufwände beeinflusst.

Im Berichtsjahr 2019 wurden Total 669 Fahrzeuge bestellt. Nach Produktgruppen gegliedert ergibt sich dabei folgendes Bild:

  • 162 FLIRT
  • 54 KISS
  • 1 GTW
  • 42 Tailor Made-Fahrzeuge
  • 127 Metros
  • 120 Trams
  • 163 Lokomotiven

Insgesamt wurden letztes Jahr 48 Projekte gewonnen. Zusammen mit dem Servicegeschäft wurden 2019 insgesamt 62 Verträge unterzeichnet.

Nicht nur betreffend Auftragseingang war das Jahr 2019 durch ausserordentliches Wachstum geprägt: Insgesamt wurden im vergangenen Geschäftsjahr 444 Züge und Lokomotiven ausgeliefert. Das entspricht einer Steigerung um rund 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wesentlicher Bestandteil der Auslieferungen sind sieben Fahrzeugflotten, die nach Erhalt der Zulassung in verschiedenen Ländern den regulären Fahrgastbetrieb aufgenommen haben; darunter befinden sich der Hochgeschwindigkeitszug Giruno für die SBB und der Doppelstockzug für Mälardalstrafik in Schweden.

Einige Aufträge gingen aber 2019 auch verloren, zu erwähnen sind hier:

  • 123 Metelitsa-Tramzüge für Tramwaje Warszawskie (Polen)
  • 33 Smile-Züge für East Midlands (Grossbritannien)
  • 44 FLIRT-Züge für das E-Netz Augsburg (Deutschland)
  • 30 FLIRT-Züge für Arriva & GTT (Italien)
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Der am 15. Dezember 2019 im Bahnhof Lugano getaufte SBB RABe 501 008 «Ceneri 2020». / Quelle: Keystone, Nicola Demaldi

Umsatz kräftig gesteigert

Stadler erzielte im Geschäftsjahr 2019 ein Umsatzwachstum von 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf rund 3.2 Milliarden Schweizer Franken (Vorjahr 2 Milliarden Schweizer Franken). Aufgrund von Verschiebungen in Projekten (primär Greater Anglia) fällt der Umsatz in der Berichtsperiode jedoch tiefer aus als erwartet, was sich ebenfalls auf das Ergebnis auswirkt.

Bimodaler FLIRT UK für Greater Anglia am 17. September 2018 an der Innotrans in Berlin. / Quelle: Jürg D. Lüthard

Der Auftrag Greater Anglia stellt Stadler vor besondere Herausforderungen in mehrfacher Hinsicht: Einerseits hat das Kamerasystem eines britischen Zulieferers nicht den Erwartungen an Leistungsfähigkeit und Stabilität entsprochen. Andererseits ist die Infrastruktur in dieser Region in die Jahre gekommen, was bei der Einführung der bimodalen FLIRT zu Störungen geführt hat. Die Zulassung für die bimodalen (BMU) und elektrischen (EMU) Triebzüge ist jedoch in Rekordzeit erreicht worden. Stand März 2020 befinden sich bis auf ein 1 Fahrzeug alle Züge in Grossbritannien.

Ebit-Marge von 6.1 Prozent

Das operative Ergebnis auf Stufe Ebit konnte ebenfalls gesteigert werden. Die Ebit-Marge lag mit 6.1 Prozent unter dem Wert des Vorjahres und unter den eigenen Erwartungen. Verschiebungen und Mehrkosten bei einzelnen Aufträgen haben das Ergebnis massgeblich beeinträchtigt. Infolge des rekordhohen Bestellungseingangs wurde der Ebit auch durch Verkaufsaufwände belastet, die höher als erwartet ausgefallen sind. Ebenso hatten Wechselkursveränderungen, insbesondere zwischen dem Schweizer Franken und der norwegischen sowie der schwedischen Krone einen negativen Einfluss auf das operative Ergebnis.

Kapazitätsausbau nötig

Um die Auslieferung der im vergangenen Jahr bestellten Fahrzeuge in der bewährten Qualität sicherstellen zu können, ist an mehreren Standorten ein Kapazitätsausbau und ein Aufbau speziell geschulter Fachkräfte nötig. Stadler ist im vergangenen Jahr gruppenweit um 2044 Mitarbeitende gewachsen (durchschnittliche Anzahl FTE), was einem Zuwachs von rund 23 Prozent entspricht. Alleine in der Schweiz wurden 500 neue Stellen geschaffen. Im Jahr 2019 arbeiteten im Schnitt über 10’900 Mitarbeitende bei Stadler. Insbesondere die Einarbeitung der neuen Mitarbeitenden hat zu höheren Aufwänden bei einigen Aufträgen geführt. Zu einem weiteren Ausbau von Kapazität und Mitarbeitenden kommt es neben der Schweiz insbesondere in Deutschland, Spanien und Weissrussland. Nach wie vor ist die Schweiz mit über 3900 Mitarbeitenden die grösste Division in der Gruppe.

Luftbild auf das neue, noch im Bau befindliche, Stadler Werk St. Margrethen. / Quelle: Andreas Butz

Mit dem neuen Werk in St. Margrethen wurden optimale Bedingungen geschaffen, um auch aus dem Hochlohnland Schweiz heraus in einem stark umkämpften Markt wettbewerbsfähig bleiben zu können. Am Standort St. Margrethen beträgt die Investition in den Werkplatz Schweiz, verteilt über mehrere Jahre, über 86 Millionen Schweizer Franken. Auch im Jahr 2019 sind an verschiedenen Standorten signifikante Investitionen zur Erweiterung der Kapazitäten getätigt worden.

Der Netto-Geldfluss aus Betriebstätigkeit beläuft sich nach wachstumsbedingt überdurchschnittlich hohen Investitionen in das Nettoumlaufvermögen sowie Verzögerungen in einzelnen Projekten auf -186.8 Millionen Schweizer Franken (gegenüber -193.3 im Vorjahr).

Neue Märkte

Die indonesische Delegation mit Rini M. Soemarno, Ministerin für Staatsunternehmen [grauer Blazer, 6. von rechts in mittlerer Reihe] bei einem Werksrundgang im Stadler Werk Bussnang. / Quelle: Embassy of the Republic of Indonesia

Stadler war in Asien in zweifacher Hinsicht erfolgreich: Erstens konnten 34 dieselelektrische Lokomotiven nach Taiwan verkauft werden. Zudem hat Stadler im September 2019 einen Joint-Venture-Vertrag mit PT Inka in Indonesien abgeschlossen, um auf dem asiatischen Kontinent Fuss zu fassen. Stadler sieht in der Basis in Indonesien die bestmögliche Voraussetzung, um in dieser Region profitabel zu wachsen.

Visualisierung der dieselelektrischen, sechsachsigen Schmalspur-Lokomotive für Taiwan Railways Administration (TRA) von Stadler Rail. / Quelle: Stadler

Seit Anfang Jahr sind die ersten US-FLIRT in Dallas Fort Worth im Fahrplanbetrieb. Am 13. Mai konnte das neue Montagewerk in Salt Lake City (Utah) feierlich eingeweiht werden. Anfang Juni konnte der erste Servicevertrag in den USA gewonnen werden: Der Auftrag zur Lieferung von acht Zügen des Typs FLIRT für Dallas Rapid Transit (DART) beinhaltet auch die Planung eines Service-Depots. Im November haben die Metropolitan Atlanta Rapid Transit Authority (MARTA) und Stadler den Vertrag für die Lieferung von 127 METRO-Zügen mit zwei Optionen für je 25 weitere Züge unterschrieben. Für Stadler ist dies die grösste Einzelbestellung von Fahrzeugen in der Geschichte des Unternehmens und es markiert auch den ersten grossen METRO-Auftrag in den USA. Ebenfalls im November konnte sich Stadler den ersten Vertrag für einen mit Wasserstoff betriebenen Zug sichern. Für die San Bernardino County Transportation Authority (SBCTA) baut Stadler den ersten FLIRT H2, der ab dem Jahr 2024 im Fahrgastbetrieb eingesetzt werden soll.

Visualisierung des METRO-Zuges von Stadler für die Metropolitan Atlanta Rapid Transit Authority (MARTA). / Quelle: Stadler Rail Group

Servicegeschäft legt rasant zu

Der Auftragseingang im Berichtsegment Service & Components liegt im Jahr 2019 bei 833 Millionen Schweizer Franken und liegt damit deutlich über Vorjahresniveau. Im Mai konnte Stadler einen Vertrag für die Instandhaltung von über 100 Zügen des Bahnbetreibers Vy in Norwegen abschliessen. Es ist die grösste Einzelflotte, die Stadler je unter Vertrag genommen hat. Im Bereich Modernisierung und Refit konnte Stadler in Deutschland zwei grosse Aufträge von Bogestra und Netinera gewinnen. Volumenmässig eher kleinere, aber strategisch wichtige Aufträge vor dem Hintergrund der Digitalisierung sind die Aufträge zum Einbau des Stadler Diagnosesystems (RDS-System).

FLIRT des Bahnbetreibers Vy (früher NSB), in der aktuellsten Lackierung. / Quelle: Stadler Rail Group

Am neu eröffneten Service-Standort in Herne, Deutschland, wird Stadler im Auftrag des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) 41 Fahrzeuge der neuen Flotte für die S-Bahn Rhein-Ruhr über einen Zeitraum von 32 Jahren instand halten. Und in UK übernimmt Stadler nach der Lieferung der 52 neuen METRO-Züge für Merseytravel in Liverpool auch für 35 Jahre die Verantwortung für die Instandhaltung der Züge im hochmodernen neuen Depot in Liverpool-Kirkdale. Für die nach Schleswig-Holstein verkauften neu entwickelten FLIRT Akku ist Stadler Service über einen Zeitraum von 30 Jahren für die Instandhaltung verantwortlich.

Visualisierung des zweiteiligen FLIRT Akku von Stadler für den Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein (NAH.SH). / Quelle: Stadler Rail Group

Etablierung im Signallinggeschäft

Seit 2016 ist bei Stadler der kontinuierliche Auf- und Ausbau des Signalling-Bereichs im Gang. Am Signalling-Standort Wallisellen arbeiten mehrere Teams von hochqualifizierten Ingenieuren an der Umsetzung der Signalling-Strategie für die Produkte Vollbahnen, Nebenbahnen und Metro. Erste Erfolge haben sich bereits letztes Jahr eingestellt: Das von Stadler mit Mermec im Joint Venture Angel Star entwickelte ETCS-Zugbeeinflussungssystem GUARDIA hat 2019 die generische Zulassung erlangt und kommt bei den neuen FLIRT-Zügen der BLS zum Einsatz, die in diesem Sommer zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert werden. Aktuell laufen entsprechende Projekte auch in Polen (Koleje Mazowieckie), Ungarn (MÁV), Slowenien (SŽ), Italien (FNM), Deutschland (DB AG, Pilotprojekt, 2x BR 185.2 und 1x BR 605). Darüber hinaus zeichnen sich weitere Projekte ab und die länderspezifische Zulassung für Stadler GUARDIA wird stufenweise bis 2022 in zehn Ländern erwirkt. Anfang 2020 ist Stadler Signalling in eine eigene Firma überführt worden.

Änderungen im Management

Der Verwaltungsrat und die Konzernleitung haben im Jahr 2019 einige Änderungen erfahren, die grösstenteils Konsequenz eines von langer Hand geplanten Generationenwechsels waren. So hat Jure Mikolčić am 1. Februar 2019 die Leitung der Division Deutschland übernommen. Markus Bernsteiner hat am 1. Juni 2019 Markus Sauerbruch als Leiter des Werks in Altenrhein abgelöst. Vertriebschef Peter Jenelten hat im Mai sein Amt an Ansgar Brockmeyer übergeben und hat nach 19 Jahren bei Stadler in die PCS Holding in Frauenfeld gewechselt. An der Generalversammlung im März 2019 wurde Barbara Egger-Jenzer, ehemalige Berner Regierungsrätin, als erste Frau in den Verwaltungsrat von Stadler gewählt. Mitte Juli musste Stadler leider vom Tod seines überaus geschätzten, langjährigen Verwaltungsratsmitgliedes Dr. Werner Müller (seit 2003), ehemaliger deutscher Bundeswirtschaftsminister, Kenntnis nehmen. Zuhanden der Generalversammlung am 30. April 2020 schlägt der Verwaltungsrat Doris Leuthard, ehemalige Schweizer Verkehrsministerin, zur Wahl in den Verwaltungsrat vor. Friedrich Merz stellt sich nicht mehr zur Wiederwahl.

Erfolgreicher Börsengang

Seit dem 12. April 2019 ist die Stadler Rail AG an der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange notiert. Der stark beachtete Börsengang kann als grosser Erfolg verbucht werden. Der Kurs hat sich seit dem ersten Handelstag erfreulich entwickelt. Gegenüber dem Ausgabepreis von 38 Franken erhöhte er sich um über 27 Prozent per 31. Dezember 2019. Die Aktie ist sehr breit gestreut: Per 31. Dezember 2019 zählte Stadler über 30’000 Aktionärinnen und Aktionäre, darunter ein grosser Anteil Kleinaktionäre. Rund 20 Prozent der Aktionäre besitzen nicht mehr als 50 Aktien.

Nach Ausübung der Mehrzuteilungsoption sind im Zuge des Börsengangs von Stadler insgesamt 40’250’000 bestehende Aktien und damit 40.25 Prozent des Aktienkapitals platziert worden. Das Platzierungsvolumen entsprach 1.53 Milliarden Franken. Peter Spuhler hält direkt und indirekt über die PCS Holding AG 39.9 Prozent des Aktienkapitals von Stadler. Weitere zehn Prozent hält die deutsche RSBG SE (vollständig im Besitz der RAG-Stiftung). Die Kosten für den IPO-Prozess gehen voll zu Lasten des verkaufenden Aktionärs.

Ausblick

Für das laufende Geschäftsjahr erwartet Stadler bei einer stabilen Währungssituation wiederum ein zweistelliges Umsatzwachstum und rechnet mit einem ähnlichen Ergebnis wie 2019. Anhaltend hohe Investitionen und Mehrkosten im Zusammenhang mit dem Ausbau der Kapazitäten werden die Profitabilität auch im laufenden Jahr beeinflussen. Die mittelfristigen Finanzziele werden klar bestätigt. Der Verwaltungsrat beabsichtigt, zuhanden der Generalversammlung für das Geschäftsjahr 2019 eine Dividende von 120 Millionen Schweizer Franken (1.20 Franken pro Aktie) zu beantragen. Für das Geschäftsjahr 2020 sieht Stadler die Auszahlung einer Dividende in Höhe von circa 60 Prozent des Konzernergebnisses vor.

Impressionen von der Fertigung der KISS-Züge für Caltrain.
https://twitter.com/oraclanda/status/1262703278216884224
Wagenkasten für Caltrain KISS in Liestal.

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